Das flüsternde Haus: Eine Hommage an Edgar Allan Poe
Gesellschaft handelt. Damit all diejenigen, die in der Norm festsitzen, einen faden Geschmack davon bekommen, welche Spielarten des Menschseins überhaupt existieren. Fade deshalb, weil sie nie voll schmecken werden, was sie da lesen. Es ist aus zweiter Hand. Darum ist meine Profession auch für niemandem als mich selbst. Trotzdem bin ich veröffentlicht und die Leser mag es faszinieren, welche Ausgeburten meines Gehirns ich auf das weiße Blatt verbanne. Keiner wird vermuten, wie all das auf Erfahrungen basiert.
Doch genug meiner Vorrede. Ihr wollt doch nur eines, dem abweichenden Verhalten beiwohnen, nicht einer abstrakten Abhandlung folgen. Nun, dann folgt mir in den Malstrom meines Wesens.
Bisher vollendete ich drei Romane und ein jeder behandelt eine besondere Art der Devianz. Ich nenne sie meine Trilogie der Grausamkeiten, mit einer Steigerung von Band zu Band. Dabei war es mir ein Anliegen, aus körperlichen Erfahrungen emotional verbalisierte Sinneinheiten zu formen, die sich von Absätzen über Kapitel zu einer vollständigen Geschichten entwickelten.
Für den ersten Roman näherte ich mich dafür der Tierquälerei an. Es sollten zwei sehr unterschiedliche Charaktere aufeinander treffen. Der eine schützt die Tiere, der andere quält und tötet sie zum Vergnügen. Zwischen ihnen entsteht eine Freundschaft. Ich wollte ergründen, ob und wie der Konflikt zwischen ihnen gelöst werden kann, sind sie schließlich über ihre Taten in Kenntnis gesetzt. Ich möchte hinzufügen, dass ich ein friedliebender Mensch bin und jegliches aggressives Potential vermissen lasse. Umso schwerer war es für mich, einer unschuldigen Kreatur Leid anzutun, zu Beginn meiner Nachbarskatze. Es war äußerst notwendig, zu erfahren, was einer spürt, der solch eine, ja, abscheuliche Tat begeht. Schon bei meinem zweiten Objekt, dem Hund einer Bekannten, begriff ich es mit all meinen Sinnen. Mein Sein erhöhte sich durch die ausgeübte Macht.
Nun wollte ich beide Charaktere genügend begreifen, also wurde ich Mitglied einer Tierschutzorganisation, nahm rege an Sitzungen teil und unterstützte ehrenamtlich einen Tierarzt auf dem Lande. Dort war es auch, wo ich meine nächsten Opfer fand. Das waren sie zweifellos, meine Opfer. Und ich war ein Täter, der anderen Opfern und Leidenden zur Genesung verhalf. In beiden Bereichen lernte ich schnell. Welche Hilfsmittel Qualen verursachten, ohne dass ein Tier zu schnell verstarb, und wie ich Verbände und Schienen an verletzte Stellen zu legen hatte. Als ich den inneren Ruf des Schreibens vernahm, löste ich jede Verbindung mit der Organisation, teilte mit, dass meine Arbeit mich zu sehr beanspruchte, und verschwand aus ihrem Leben ohne Beweise zu hinterlassen.
Kaum war ich froh, keiner Kreatur mehr Leid anzutun, bahnte sich all das Verdorbene an die Oberfläche, als ich zu schreiben begann. ,Schutzlos' heißt mein Werk und arbeitet detailliert die Gegensätze meiner Figuren heraus, Gegensätze, die körperlicher kaum sein können und als Grundprinzip des Menschen walten. Verletzen und Heilen, oder abstrakter doch treffender: Zerstören und Erschaffen.
Im Feuilleton wurde mein Werk gut besprochen, daher bat mich mein Verlag um ein Folgeprojekt. Und damit erarbeitete ich mir meinen nächsten Stoff, die häusliche Gewalt. Wie wohlwollend das Schicksal war, bin ich schon vor Jahren den Bund der Ehe eingegangen. Es fiel mir nun umso schwerer, wegen meines doch so liebenswerten Charakters, meiner armen Frau Gewalt anzutun. Dazu erforderte es mehr an Übung als für mein erstes Projekt. Und was mir für meine Taten fehlte, war ein Motiv, ein anderes als einen Roman schreiben zu wollen. Meine Frau war zu weit von jeglichen, unangenehmen Charaktereigenschaften entfernt, dass ich nichts in ihrem Verhalten fand, das in mir jene Aggression auszulösen vermochte, die ich für meine Recherchen benötigte. Ein einziges Mal war ich versucht, ihr mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen. Sie hatte mir aus Versehen einen Teller aus der Hand geschlagen. Beim Umdrehen hatte sie mich nicht bemerkt. Ich erschrak so sehr, dass ich in einem Reflex ausholte. Aber ihr liebliches, ja, engelsgleiches Gesicht brachte mich sofort auf den Boden der Vernunft. So schnell war alles gegangen, dass sie meine Rage gar nicht bemerkt hatte. Wollte ich bei meinem Romanprojekt über die Theorie hinweg kommen, benötigte ich Hilfe. Da wandte ich mich dem einzigen Mittel zu, das mir als Vertrauter gewalttätiger Ehemänner
Weitere Kostenlose Bücher