Das Foucaultsche Pendel
nicht dein Kindsvater wird.«
Mir war, als hörte ich mich mit Amparo reden, in Bahia.
Lorenza hatte recht — Agliè wußte, wie man einer jungen Frau die Hand küßt, die diesen Ritus nicht kennt.
»Wieso Simon und Sophia?« beharrte Belbo. »Heißt er Simon?«
»Also das ist ‘ne tolle Geschichte. Hast du gewußt, daß unser Universum durch einen Irrtum entstanden ist und daß es ein bißchen meine Schuld war? Sophia war der weibliche Teil von Gott, weil damals war Gott mehr Frau als Mann, und ihr seid es dann gewesen, die ihm den Bart verpaßt habt und ihn Er genannt habt. Ich war seine gute Hälfte. Simon sagt, ich wollte die Welt hervorbringen, ohne um Erlaubnis zu fragen, ich, die Sophia, die sich auch, warte mal... Ja: die Ennoia nennt. Ich glaube, mein männlicher Teil wollte nicht kreieren — vielleicht hatte er nicht den Mut dazu, vielleicht war er impotent —, na jedenfalls ich, statt mich mit ihm zusammenzutun, wollte die Welt alleine machen, ich konnte nicht widerstehen, ich glaube, es war aus zu großer Liebe, ja wirklich, ich liebe dieses ganze chaotische Universum. Deswegen bin ich die Seele dieser Welt. Sagt Simon.«
»Wie nett. Sagt er so was allen?«
357
»Nein, Dummkopf, nur mir. Weil er mich besser versteht als du, weil er nicht versucht mich nach seinem Idealbild zurechtzustutzen. Er begreift, daß ich das Leben auf meine Art leben muß. Und genauso hat’s die Sophia gemacht, sie hat nicht lange gefragt sondern hat einfach angefangen, die Welt zu machen. Sie hat sich mit der Urmaterie besudelt, die ekelhaft war, ich glaub, die benutzte noch keine Deodorants, und es war nicht mit Absicht — aber ich glaube, sie war’s, die Sophia, die dann den Dingsda gemacht hat, den Demo...
wie heißt er noch gleich?«
»Meinst du den Demiurg?«
»Ja genau, den. Ich weiß nicht mehr, ob dieser Demiurg, ob den jetzt die Sophia gemacht hat oder ob er schon da war und sie ihn bloß aufgestachelt hat: He, Blödmann, los, mach die Welt, daß wir uns amüsieren können! Der Demiurg muß ein Chaot gewesen sein, er hat nämlich nicht gewußt, wie er die Welt ordentlich machen sollte, und er hätte sie eigentlich gar nicht machen dürfen, denn die Materie ist schlecht, und er war nicht befugt, die Hände da reinzustecken. Na jedenfalls hat er dann zusammengepfuscht, was er eben zusammengepfuscht hat, und die Sophia ist drin steckengeblieben.
Als Gefangene der Welt.«
Lorenza redete schnell und trank viel. Alle paar Minuten, während in der Mitte des Saales schon viele mit geschlossenen Augen wippten und zuckten, kam Riccardo vorbei und goß ihr nach. Belbo versuchte ihn daran zu hindern, sagte, Lorenza hätte genug getrunken, aber Riccardo lachte und schüttelte bloß den Kopf, und sie rebellierte und behauptete, sie vertrüge den Alkohol besser als Jacopo, weil sie jünger sei.
»Okay, okay«, sagte Belbo. »Hör nicht auf Opa. Hör lieber auf Simon. Was hat er dir noch gesagt?«
»Na eben, daß ich die Gefangene dieser Welt bin, oder genauer, der bösen Engel... In dieser Geschichte sind nämlich die Engel böse und haben dem Demiurg geholfen, all das Chaos anzurichten... Und diese bösen Engel also, die halten mich fest und wollen mich nicht loslassen und quälen mich. Aber ab und zu gibt’s einen Menschen, der mich erkennt. Wie Simon. Er sagt, das wär ihm schon mal passiert, vor tausend Jahren... Weil, das hab ich dir noch nicht gesagt, Simon ist praktisch unsterblich, wenn du wüßtest, was der 358
alles schon erlebt hat...
»Sicher, sicher. Aber jetzt hör auf zu trinken.«
»Ssst.. Simon hat mich einmal getroffen, da war ich ‘ne Prostituierte in einem Bordell von Tyrus, und er nannte mich Helena...«
»Das sagt dieser Herr zu dir? Und du bist ganz glücklich darüber? Gestatten, daß ich Ihnen die Hand küsse, Sie Flittchen meines Scheißuniversums... Feiner Gentleman!«
»Das Flittchen war höchstens diese Helena. Und außer dem, wenn man damals Prostituierte sagte, meinte man eine freie Frau, eine Frau ohne Fesseln, eine Intellektuelle, eine, die nicht Hausfrau sein wollte, du weißt doch selber, daß eine Prostituierte damals eine Kurtisane war, eine, die einen Salon führte, heute würde sie Public Relations machen, nennst du eine PR-Dame eine Hure, als wär sie ‘ne billige Nutte, die‘s den Lastwagenfahrern besorgt?«
In diesem Moment kam Riccardo von neuem vorbei, faßte Lorenza am Arm und sagte: »Komm tanzen.«
Sie gingen in die Saalmitte, stellten sich voreinander auf
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