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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Mauern eindringen könnten, ins unterirdische Paris gelangen. Ich habe manchmal Stunden um Stunden vor diesen Scheintüren verbracht, die das Tor der Tore maskieren, den Abfahrtsbahnhof zur Reise ins Zentrum der Erde. Warum, meinen Sie, hat man das gemacht?«
    »Um die Metro zu belüften, sagten Sie doch.«
    »Dafür hätten ein paar Luken genügt. Nein, es sind diese Untergründe, vor denen ich Verdacht zu schöpfen begann.
    Verstehen Sie mich?«
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    Das Reden über die Dunkelheit schien ihn aufzuheitern.
    Ich fragte ihn, weshalb er die Untergründe so verdächtig fand.
    »Nun, weil die Herren der Welt, wenn es sie gibt, nur unter der Erde sein können. Das ist eine Wahrheit, die alle ahnen, aber nur wenige auszusprechen wagen. Der einzige, der den Mut besaß, es in klaren Worten zu sagen, war vielleicht Saint-Yves d’Alveydre. Kennen Sie ihn?«
    Vielleicht hatte ich den Namen schon irgendwann von einem der Diaboliker gehört, aber ich erinnerte mich nicht genau.
    »Er ist es, der von Agarttha gesprochen hat, von der unterirdischen Residenz des Königs der Welt, dem verborgenen Zentrum der Synarchie«, sagte Salon. »Er hatte keine Angst, er fühlte sich seiner selbst sicher. Doch alle, die ihm öffentlich gefolgt sind, wurden eliminiert, weil sie zuviel wußten.«
    Wir setzten unseren Gang durch die Stollen fort, und Salon warf beim Sprechen zerstreute Blicke umher, spähte in die Einmündung anderer Stollen, in die Tiefe anderer Brunnen, als suchte er im Halbdunkel nach einer Bestätigung seines Verdachts.
    »Haben Sie sich jemals gefragt, warum alle großen modernen Metropolen sich Ende des vorigen Jahrhunderts so beeilten, Untergrundbahnen zu bauen?«
    »Um Verkehrsprobleme zu lösen. Oder nicht?«
    »Als es noch gar keinen Autoverkehr gab und nur Pferde-droschken durch die Straßen rollten? Von einem Mann Ihres Geistes hätte ich mir eine subtilere Erklärung erwartet!«
    »Und haben Sie eine?«
    »Vielleicht«, sagte Signor Salon, und es schien, als sagte er es mit abwesender und gedankenversunkener Miene. Doch es war eine Art, das Gespräch abzublocken. Und tatsächlich bemerkte er nun, er müsse jetzt gehen. Dann, nachdem er mir erneut die Hand gereicht hatte, blieb er noch einen Augenblick stehen, als fiele ihm gerade noch etwas ein: »Apropos, dieser Oberst... wie hieß er doch gleich, der damals vor Jahren zu Garamond gekommen war, um Ihnen von einem Schatz der Templer zu erzählen? Haben Sie nie wieder von ihm gehört?«
    Ich stand wie vom Schlag gerührt vor dieser brüsken und indiskreten Enthüllung von Kenntnissen, die ich für intim 367
    und begraben gehalten hatte. Ich wollte ihn fragen, woher er das wisse, aber ich fürchtete mich davor. So sagte ich nur mit möglichst indifferenter Miene: »Ach, eine alte Geschichte, hatte ich ganz vergessen... Aber apropos, warum haben Sie
    ›apropos‹ gesagt?«
    »Habe ich ›apropos‹ gesagt? Ach ja, gewiß, mir schien, als hätte er etwas in einem Untergrund gefunden...«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weiß nicht mehr. Kann mich nicht mehr erinnern, wer mir davon erzählt hat. Vielleicht ein Kunde. Aber ich horche immer auf, wenn Untergründe erwähnt werden. Eine Alters-manie. Guten Abend.«
    Er ging davon, und ich blieb stehen, um dieser Begegnung nachzusinnen.
    368

52
    In gewissen Regionen des Himalaja, zwischen
    den zweiundzwanzig Tempeln, welche die zwei-
    undzwanzig Arcana des Hermes darstellen und
    die zweiundzwanzig Buchstaben einiger heiliger
    Alphabete, bildet Agarttha die mystische Null,
    das unauffindbare Alles und Nichts — alles für
    die Synarchie, nichts für die Anarchie... Der Leser stelle sich ein kolossales Schachbrett vor, das sich unterirdisch erstreckt, durch fast alle Regionen des Erdballs.
    Saint -Yves d’Alveydre, Mission de l’Inde en Europe, Paris, Calmann-Lévy, 1886, p. 54 und 65
    Zurück in Mailand, erzählte ich Belbo und Diotallevi von meinem Erlebnis, und wir stellten verschiedene Hypothesen auf. Salon, ein Exzentriker und Schwätzer, der sich in gewisser Weise an Mysterien delektierte, hatte Ardenti getroffen, und das war alles. Oder: Salon wußte etwas über Ardentis Verschwinden und arbeitete für die, die ihn hatten verschwinden lassen. Oder auch: Salon war ein Informant der Polizei...
    Dann sahen wir andere Diaboliker, und Salon vermischte sich mit seinesgleichen.
    Ein paar Tage später hatten wir Agliè zu Besuch, der uns über einige Manuskripte referierte, die Belbo ihm zur Begut-achtung zugesandt hatte. Er

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