Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
über und macht Pa-Pa-Pa-Pa-Pa... Aber es ist leicht zu erlernen, es gehört zur Familie der Blechblasinstrumente wie die Trompete, und seine Mechanik ist die gleiche wie bei der Trompete. Die Trompete erfordert mehr Atem und einen guten Ansatz — ihr wißt schon, diese kleine runde Schwiele, die sich auf den Lippen bildet, wie bei Louis Armstrong. Mit einem guten Ansatz spart man Atem, und der Ton kommt klar und sauber heraus, ohne daß man das Pusten hört, andererseits darf man auf keinen Fall die Bak-ken aufblasen, wehe, das gibt’s nur beim Vortäuschen und in den Karikaturen.«
    »Und was war mit der Trompete?«
    »Die Trompete hab ich allein gelernt, an den Sommernach-mittagen, wenn keiner im Oratorium war und ich mich im Parkett des kleinen Theaters versteckte... Aber ich hab sie aus erotischen Gründen gelernt. Seht ihr die kleine Villa dort unten, etwa einen Kilometer vom Oratorium entfernt? Dort wohnte Cecilia, die Tochter der Wohltäterin des Salesianer-Ordens. Naja, und so kam es, daß jedesmal, wenn die Kapelle aufspielte, zu den Festen, nach der Prozession, im Hof des Oratoriums und vor allem im Theater, bevor die Laienspiel-gruppe auftrat, dann saß Cecilia da mit ihrer Mama, vorn in der ersten Reihe auf den Ehrensitzen, neben dem Domprobst. Und die Kapelle spielte dann immer einen Marsch, der hieß Buon Principio und wurde von den Trompeten eröffnet, den Es-Trompeten aus Gold und Silber, die extra für diesen Anlaß blankgeputzt worden waren. Die Trompeter standen auf und spielten ein Solo. Dann setzten sie sich wieder hin, und die Kapelle legte los. Trompete zu spielen war die einzige Art, mich Cecilia bemerkbar zu machen.«
    »Die einzige?« fragte Lorenza gerührt.
    »Ja, es gab keine andere. Denn erstens war ich dreizehn und sie dreizehneinhalb, und ein Mädchen von dreizehneinhalb ist eine Frau und ein Junge von dreizehn ein Rotzben-gel. Und zweitens liebte sie ein Altsaxophon, einen gewissen Papi, einen gräßlichen Kerl mit grindigem Haar, wie mir schien, und sie hatte nur Augen für ihn, der lasziv blökte, denn das Saxophon, wenn es nicht von Ornette Coleman gespielt wird, sondern in einer Blaskapelle — noch dazu von 394
    einem so gräßlichen Kerl wie dem Papi — , dann ist es (so jedenfalls schien es mir damals) ein meckerndes und obszö-
    nes Instrument, es klingt sozusagen wie ein Mannequin, das zu saufen angefangen hat und auf den Strich geht.«
    »Wie klingen denn Mannequins, die auf den Strich gehen?
    Was weißt du darüber?«
    »Na, kurz und gut, Cecilia wußte nicht einmal, daß ich existierte. Sicher, wenn ich abends den Hügel raufstieg, um die Milch beim Bauern zu holen, dachte ich mir wunderschöne Geschichten aus, mit ihr, wie sie von den Schwarzen Brigaden geraubt wurde und ich hinlief, um sie zu retten, während die Kugeln mir um die Ohren pfiffen und tschakt-schak machten, wenn sie in die Stoppeln fielen, und ich enthüllte ihr, was sie nicht wissen konnte, nämlich daß ich unter falschem Namen die Resistenza im ganzen Monferrat leitete, und sie gestand mir, daß sie es immer gehofft hatte, und dann schämte ich mich, weil ich etwas wie Honig in meinen Adern fließen fühlte — ich schwöre euch, mir wurde nicht mal die Vorhaut feucht, es war was anderes, etwas viel Schrecklicheres und Grandioseres —, und ich rannte nach Hause, um zu beichten... Ich glaube, Sünde, Liebe und Ruhm sind genau dies: Wenn du dich an zusammengeknüpften Bettlaken aus dem Fenster des Folterzentrums der SS herabläßt, und die Geliebte hängt dir am Hals, im Leeren schwebend, und sie flüstert dir ins Ohr, sie hätte schon immer von dir geträumt. Der Rest ist bloß Sex, Kopulation, Perpetuie-rung der infamen Saat... Na jedenfalls, wenn ich Trompete gespielt hätte, hätte Cecilia mich nicht übersehen können, ich stehend und strahlend, das elende Saxophon sitzend. Die Trompete ist kriegerisch, engelhaft, apokalyptisch, siegreich, sie bläst zur Attacke, das Saxophon läßt Vorstadtbubis mit Brillantinehaar tanzen, Wange an Wange mit schwitzenden Mädchen. Also lernte ich Trompeten, lernte wie ein Verrückter, bis ich schließlich vor Don Tico hintrat und sagte, hören Sie zu, und ich spielte wie Oscar Levant bei der ersten Probe am Broadway mit Gene Kelly. Und Don Tico sagte: Du bist ein Trompeter. Aber...«
    »Wie dramatisch!« sagte Lorenza. »Erzähl weiter! Spann uns nicht so auf die Folter!«
    »Aber ich mußte jemanden finden, der mich am Baryton ersetzte. Sieh zu, wie du’s

Weitere Kostenlose Bücher