Das Foucaultsche Pendel
haben wir sie.«
»Genau. Die Paulizianer fahren auch im neunten Jahrhundert fort, die Kaiser von Byzanz in Rage zu bringen, bis Kaiser Basilios I. schwört, wenn er ihren Chef zu fassen kriege, einen Mann namens Chrysocheir, der die Kirche des Sankt Johannes Theologos in Ephesus gestürmt und die Pferde aus den Weihwasserbecken getränkt hatte...«
»Immer dasselbe Laster«, sagte Belbo.
»... dann werde er ihm persönlich drei Pfeile in den Kopf rammen. Er schickt seine Soldaten gegen ihn los, die fangen ihn, schneiden ihm den Kopf ab und schicken ihn dem Kaiser, der legt ihn auf einen Tisch, auf ein trumeau, einen Säu-lenstumpf aus Porphyr, und rammt ihm, zack zack zack, drei Pfeile rein, ich vermute, einen in jedes Auge und den dritten in den Mund.«
»Feine Leute«, sagte Diotallevi.
»Die machten das nicht aus Bosheit«, sagte Belbo. »Das waren Glaubensfragen, und Glaube ist Wesenheit erhoffter Dinge, sustanza di cose sperate. Reden Sie weiter, Casaubon, unser Diotallevi kapiert diese theologischen Feinheiten nicht, er ist ein lausiger Gottesmörder.«
»Nun, um’s kurz zu machen: Die Kreuzfahrer treffen auf die Paulizianer. Sie begegnen ihnen in der Nähe von An-
* auf Französisch wurden sie von einigen auch Popelicant genannt.
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tiochia während des ersten Kreuzzugs, als jene auf Seiten der Araber kämpfen, und sie begegnen ihnen erneut bei der Belagerung von Konstantinopel, als die Paulizianergemein-de von Philippopel versucht, die Stadt dem bulgarischen Zaren Joannitsa zu übergeben, um die Franzosen zu ärgern, so nachzulesen bei Villehardouin. Da haben Sie das Verbin-dungsglied zu den Templern, und damit ist unser Rätsel gelöst. Nach der Legende waren die Templer inspiriert von den Katharern, tatsächlich hatten die Templer jedoch die Katharer inspiriert. Sie waren den Paulizianern während der Kreuzzüge begegnet und hatten mysteriöse Beziehungen mit ihnen aufgenommen, ähnlich wie mit den muslimischen Mystikern und Häretikern. Im übrigen braucht man nur die Fährte unserer Ordonation zu verfolgen. Sie führt zwangsläufig über den Balkan.«
»Wieso?«
»Na, weil das sechste Treffen ganz klar in Jerusalem sein muß. Die Botschaft sagt, man solle ›zum Stein‹ gehen. Und wo bitte gibt es einen Stein, einen, der heute von den Musli-men verehrt wird, und wenn wir ihn sehen wollen, müssen wir unsere Schuhe ausziehen? Nun, genau im Zentrum der Omar-Moschee zu Jerusalem, dort, wo früher der Tempel der Templer stand. Ich weiß nicht, wer in Jerusalem warten sollte, vielleicht ein Grüppchen von überlebenden und ver-kleideten Templern, oder Kabbalisten, die Verbindung nach Portugal hatten, aber sicher ist, daß wenn man von Deutschland nach Jerusalem will, dann führt der logischste Weg über den Balkan, und dort wartet die fünfte Gruppe, die der Paulizianer. Sehen Sie nun, wie klar und ökonomisch der Plan auf einmal wird?«
»Zugegeben, Sie überzeugen mich«, sagte Belbo. »Aber wo auf dem Balkan warteten diese Popelicant?«
»Meines Erachtens waren die natürlichen Nachfolger der Paulizianer die bulgarischen Bogomilen, aber die Templer von Provins konnten noch nicht wissen, daß Bulgarien wenige Jahre später von den Türken überfallen wurde und fünfhundert Jahre unter türkischer Herrschaft blieb.«
»Also können wir annehmen, daß der Große Plan beim Übergang von den Deutschen zu den Bulgaren steckengeblieben ist Wann mag das gewesen sein?«
»1824«, sagte Diotallevi.
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»Wieso?« fragte ich.
Diotallevi nahm ein Papier und schrieb:
PORTUGAL
ENGLAND
FRANKREICH
1344
1464
1584
DEUTSCHLAND
BULGARIEN
JERUSALEM
1704
1824
1944
»1344 begeben sich die ersten Großmeister jeder Gruppe an die sechs vorgeschriebenen Orte. Im Verlauf von hundertzwanzig Jahren folgen einander in jeder Gruppe sechs Großmeister, und 1464 trifft sich der sechste Großmeister von Tomar mit dem sechsten Großmeister der englischen Gruppe. 1584 trifft sich der zwölfte englische Großmeister mit dem zwölften französischen Großmeister. Die Kette geht weiter so in diesem Rhythmus, und wenn das Treffen mit den Paulizianern scheitert, dann scheitert es 1824.«
»Nehmen wir an, es scheitert«, sagte ich. »Aber dann verstehe ich nicht, warum so kluge und weitdenkende Männer, wenn sie bereits vier Sechstel der Botschaft in Händen hielten, sie nicht rekonstruieren konnten, indem sie den Rest ergänzten. Oder warum sie, wenn das Treffen mit den Bulgaren geplatzt war, nicht Kontakt zur
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