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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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geschlossene Türen öffnetest und Dinge in der Luft schweben ließest. Ich war dabei, in deinen dunklen Bauch einzudringen, Megale Apophasis. Gefangene der Engel.
    Bist du’s vielleicht gar nicht, die ich suchte? Vielleicht bin ich hier, um immer auf dich zu warten. Habe ich dich immer wieder verloren, weil ich dich nicht erkannte? Habe ich dich immer wieder verloren, weil ich dich erkannte und mich nicht getraute?
    Habe ich dich immer wieder verloren, weil ich, während ich dich erkannte, schon wußte, daß ich dich wieder verlieren sollte?
    Wo bist du gestern abend geblieben? Heute morgen wachte ich auf und hatte Kopfschmerzen.
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    Obwol wir (die jüngeren) bisher gar nicht wuß-
    ten, wann unser geliebter Vater R.C. gestorben..., wußten wir uns doch wol noch einer Heimlichkeit zu erinnern, so A., des D. Successor (der
    letzte auß dem andern Reyen, der mit vielen auß uns gelebt) durch verborgene Reden von den 120
    Jahren uns dem dritten Reyen vertrawet.
    Fama Fraternitatis, in Allgemeine und General Reformation, Kassel, Wessel, 1614
    Ich stürzte mich auf die Lektüre der beiden RosenkreuzerManifeste, der Fama und der Confessio, und warf auch einen Blick in die Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz vonJohann Valentin Andreae, weil Andreae als Verfasser der Manifeste gilt.
    Die beiden Manifeste waren in Deutschland zwischen 1614
    und 1616 erschienen. Also drei Jahrzehnte nach dem Treffen von 1584 zwischen den Engländern und den Franzosen, aber gut ein Jahrhundert vor dem geplanten Treffen der Franzosen mit den Deutschen.
    Ich las die Manifeste mit dem Vorsatz, nicht zu glauben, was sie besagten, sondern sie gegen den Strich zu lesen, als besagten sie etwas anderes. Ich wußte, daß man, um sie etwas anderes besagen zu lassen, Absätze überspringen und manche Aussagen höher als andere bewerten mußte. Aber genau das war es, was uns die Diaboliker und ihre Meister lehrten. Wer sich im subtilen Tempo der Enthüllungen bewegen will, darf nicht den sturen, pedantischen Ketten der Logik und ihrem monotonen Eins-nach-dem-andern folgen.
    Andererseits, wenn man die Manifeste wörtlich nahm, waren sie eine Anhäufung von Absurditäten, Rätseln und Widersprüchen.
    Also konnten sie nicht besagen, was sie zu sagen schienen, und folglich waren sie weder ein Appell zu einer tiefgreifen-den spirituellen Reform noch die Geschichte des armen Chri-471
    stian Rosencreutz. Sie waren verschlüsselte Botschaften, die man nur lesen konnte, wenn man ein Raster über sie legte, und ein Raster läßt bestimmte Felder frei und bedeckt andere. Wie die chiffrierte Botschaft aus Provins, in der nur die Anfangsbuchstaben zählten. Ich hatte kein Raster, aber ich brauchte nur eins vorauszusetzen, und um es vorauszusetzen, mußte ich mit Argwohn lesen.
    Daß die Manifeste von dem Plan aus Provins sprachen, stand außer Zweifel. In der Grabkammer des C. R (Allegorie auf die Grange-aux-Dîmes, die Nacht des 23. Juni 1344!) hatte man einen Schatz verborgen, auf daß die Nachgeborenen ihn entdeckten, einen Schatz, »für 120 Jahre den Augen der Welt entzogen«. Daß dieser Schatz nicht pekuniärer Art war, lag ebenso klar auf der Hand. Nicht nur polemisierte man heftig gegen die primitive Goldgier der Alchimisten, man sagte auch offen, daß es bei dem, was verheißen war, um einen großen historischen Wandel gehe. Und für den Fall, daß jemand immer noch nicht verstanden hatte, wiederholte das zweite Manifest, man dürfe ein Angebot nicht übersehen, das die miranda sextae aetatis betreffe (die Wunder des sechsten und letzten Treffens!), und betonte mehrmals:
    »Wenn es Gott nun gefallen hätte, das sechste Candelabrum uns allein anzuzünden?... Wäre es nicht ein köstlich Ding, wenn du alles in einem einzigen Buche lesen und beim Lesen alles verstehen und behalten könntest, was jemals geschehen ist.. Wie lieblich wäre es, wenn du so singen könntest, daß du durch den Gesang (der laut gelesenen Botschaft!) anstatt der Steinfelsen (lapis exillis!) eitel Perlen und Edelge-stein an dich brächtest...« Und wiederum war von Arkana und Heimlichkeiten die Rede, von einer Regierung, die in Europa installiert werden würde, und von einem »großen Werk«, das es zu verrichten gelte...
    In der Fama hieß es, daß C. R. nach Spanien gegangen sei (oder nach Portugal?), um den Gelehrten dort unten zu zeigen, »woraus die wahren indicia der folgenden Jahrhunderte zu entnehmen« seien, doch vergebens. Wieso vergebens?
    Wieso machte eine

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