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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ist. Stark antijüdisch eingestellt, identifizieren sie den Teufel mit Zebaoth, dem Gott der Juden, der im siebenten Himmel wohnt. Um die Große Mutter des Lichtes im achten Himmel zu erreichen, muß sowohl Zebaoth wie auch die Taufe abgelehnt werden. Okay?«
    »Okay, lehnen wir sie ab«, sagte Belbo.
    »Aber die Archontiker sind noch vergleichsweise brave Gesellen. Im fünften Jahrhundert tauchen die Messalianer auf, die in Thrakien bis zum elften Jahrhundert fortleben.
    Die Messalianer sind keine Dualisten, sondern Monarchia-ner. Aber sie mischen im Schlamm der höllischen Kräfte mit, weshalb sie in einigen Texten auch Borboriten genannt werden, von borboros, Schlamm, wegen der unaussprechlichen Sachen, die sie machten.«
    »Was machten sie denn?«
    »Och, das Übliche. Männer und Frauen hoben auf ihren Händen den eigenen Unflat zum Himmel empor, also Sperma oder Menstrualblut, und dann verspeisten sie es und sagten, es sei der Leib Christi. Und wenn einer zufällig seine Frau geschwängert hatte, fuhren sie ihr im rechten Moment mit der Hand in den Leib, zogen den Embryo raus, zer-stampften ihn in einem Mörser, verrührten ihn mit Honig und Pfeffer und fraßen das Zeug.«
    »Ekelhaft«, sagte Diotallevi. »Honig und Pfeffer!«
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    »Das also wären die Messalianer, die manche auch Stratio-tiker und Phibioniten genannt haben, andere Barbeliten, be-stehend aus Naasseanern und Phemioniten. Für wieder andere Kirchenväter waren die Barbeliten jedoch verspätete Gnostiker, also Dualisten, sie verehrten die Große Mutter Barbelo, und ihre Eingeweihten bezeichneten als Borboria-ner die Hyliker, das heißt die Kinder der schmierigen Materie, im Unterschied zu den Psychikern, die schon besser waren, und zu den Pneumatikern, die das kleine Häufchen der echten Auserwählten waren, sozusagen der Rotary Club in dieser ganzen Geschichte. Aber vielleicht waren die Stratio-tiker auch nur die Hyliker der Mithraisten.«
    »Ist das nicht alles ein bißchen konfus?« fragte Belbo.
    »Natürlich. Keine von diesen Sekten hat irgendwelche Dokumente hinterlassen. Was wir über sie wissen, stammt alles nur aus dem Klatsch und Tratsch ihrer Feinde. Aber egal. Ich wollte Ihnen nur deutlich machen, was für ein Sektengewu-sel der östliche Mittelmeerraum damals war. Und woher die Paulizianer kamen. Die Paulizianer waren die Anhänger eines gewissen Paulus, eine im siebten Jahrhundert gegründete Sekte, mit der sich bald darauf aus Albanien vertriebene Ikonoklasten vereinten. Vom achten Jahrhundert an wachsen diese Paulizianer sehr rasch, werden von einer Sekte zu einer Gemeinde, von einer Gemeinde zu einer Kampftruppe, von einer Kampftruppe zu einer politischen Macht, und die Kaiser von Byzanz fangen an, sich Sorgen zu machen und ihre Soldaten gegen sie loszuschicken. Sie verbreiten sich bis an die Grenzen der arabischen Welt, erreichen den Euphrat und überfluten das byzantinische Reich bis zum Schwarzen Meer. Sie gründen Kolonien, wo immer sie hinkommen, und wir finden sie noch im siebzehnten Jahrhundert, als sie von den Jesuiten bekehrt werden, und es gibt sogar heute noch ein paar Gemeinden auf dem Balkan oder irgendwo da unten. Woran glauben nun diese Paulizianer? An Gott, den einen und dreifältigen, nur daß der Demiurg sich in den Kopf gesetzt hat, die Welt zu erschaffen, mit den Ergebnis-sen, die wir vor Augen haben. Sie verwerfen das Alte Testament, verweigern die Sakramente, verachten das Kreuz und verehren auch nicht die Heilige Jungfrau, denn Christus, sagen sie, hat sich direkt im Himmel inkarniert und ist durch Maria hindurchgegangen wie durch eine Röhre. Die Bogo-464
    milen, die sich zum Teil an den Paulizianern inspirieren, werden später sagen, daß Christus bei Maria durchs eine Ohr rein- und durchs andere rausgegangen sei, ohne daß sie es überhaupt gemerkt hätte. Manche beschuldigen sie auch, die Sonne und den Teufel anzubeten und das Blut kleiner Kinder mit dem Brot und dem Wein des Abendmahls zu vermischen.«
    »Wie alle.«
    »Es waren Zeiten, in denen der Gang zur Messe für einen Häretiker eine Qual gewesen sein muß. Da hätte er auch gleich Moslem werden können. Aber die Leute waren halt so. Und ich erzähle Ihnen das, weil später, als die dualisti-scheu Häretiker sich in Italien und der Provence verbreiteten, da hat man sie, um zu sagen, daß sie genau solche Leute wie die Paulizianer wären, Poplicani, Publicani oder Populi-cani genannt, und gallice etiam dicuntur ab aliquis Popelicant.*«
    »Da

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