Das Foucaultsche Pendel
selber umschließt, wo die unter- oder innerirdischen Strömungen sich überschneiden — die nun, und man beachte die Vollendung der Konzeption, identisch mit den himmlischen Strömungen sind, so daß die Lehre von der hohlen Welt gewissermaßen die Materialisierung jener jahrtausendealten hermetischen Einsicht wäre, nach welcher es unten so ist wie oben! Der Mystische Pol fallt mit dem Erdmittelpunkt zusammen, die geheime Sternenkarte ist nichts anderes als die geheime Karte der Unterwelt von Agarttha, es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Himmel und Hölle, und der Gral, der lapis exillis, ist insofern lapis ex coelis, als er der Stein der Weisen ist, der als Umhüllung entsteht, als Hülle, Gefäß und Grenze, als chthonischer Uterus der sieben Himmel! Jawohl, so ist es, so muß es sein, denkt Hitler, und wenn er diesen Punkt identifiziert haben wird, den Punkt im leeren Zentrum der Erde, der das perfekte Zentrum des Him-615
mels ist, dann wird er endlich der Herr der Welt sein, deren König er qua Rasse schon ist. Und so denkt er bis ganz zuletzt, tief in seinem Bunker vergraben, er könnte den Mystischen Pol noch bestimmen.«
»Genug«, sagte Diotallevi leise. »Jetzt geht’s mir wirklich schlecht. Ich hab Schmerzen.«
»Es geht ihm wirklich schlecht, das ist kein bloß ideologischer Protest«, sagte ich.
Belbo schien erst jetzt zu begreifen. Er sprang bestürzt auf, um dem Freund zu helfen, der sich zusammengekrümmt auf den Tisch stützte und einer Ohnmacht nahe schien. »Entschuldige, Lieber, ich habe mich fortreißen lassen. He, sag mal, dir ist doch nicht etwa deshalb schlecht, weil ich solche Sachen gesagt habe? Seit zwanzig Jahren machen wir diese Art Witze, das kann’s doch nicht gewesen sein, oder? Nein, dir geht es tatsächlich schlecht, vielleicht hast du wirklich eine Gastritis. Paß auf, da hilft meistens eine Magentablette.
Und eine Wärmflasche auf dem Bauch. Komm, ich bring dich nach Hause, aber dann solltest du doch lieber einen Arzt rufen, für alle Fälle.«
Diotallevi sagte, er könne allein im Taxi nach Hause, er liege noch nicht im Sterben. Er müsse sich nur etwas hinle-gen, und er werde gleich einen Arzt rufen, ja, versprochen.
Und nein, es sei nicht Belbos Geschichte gewesen, was ihn so erschüttert habe, es sei ihm schon seit dem vorigen Abend nicht gutgegangen. Belbo schien erleichtert und brachte ihn zum Taxi hinunter.
Er kam besorgt zurück: »Also jetzt, wenn ich’s mir überlege, schon seit ein paar Wochen sieht der Junge schlecht aus.
Diese Ringe unter den Augen... Meine Güte, ich müßte schon vor zehn Jahren an Leberzirrhose gestorben sein, und jetzt hat er, der immer wie ein Asket gelebt hat, eine Gastritis!
Und wer weiß, womöglich noch was Schlimmeres, ich fürchte, das ist ein Magengeschwür. Zum Teufel mit dem Großen Plan. Wir führen schon ein verrücktes Leben.«
»Also ich sage, das geht mit einer Magentablette vorbei«, sagte ich.
»Das sage ich auch. Aber sie hilft besser, wenn er sich auch eine heiße Wärmflasche auf den Bauch legt. Hoffen wir, daß er vernünftig ist.«
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Qui operatur in Cabala... si errabit in opere aut non purificatus accesserit, devorabitur ab Azaza-le. *
Pico della Mirandola, Conclusiones Magicae
Diotallevis Krise war Ende November ausgebrochen. Am nächsten Morgen erwarteten wir ihn vergeblich, er rief uns an und sagte, er müsse für ein paar Tage ins Krankenhaus.
Der Arzt habe gesagt, die Symptome seien zwar nicht besorgniserregend, aber es sei doch besser, ihn gründlich zu untersuchen.
Belbo und ich verbanden seine Erkrankung instinktiv mit dem Großen Plan, den wir vielleicht zu weit getrieben hatten. Wir sagten uns zwar, daß es unvernünftig war, aber wir kamen uns schuldig vor. Zum zweitenmal fühlte ich mich als Belbos Komplize: das erstemal hatten wir gemeinsam geschwiegen (gegenüber De Angelis), diesmal hatten wir gemeinsam zuviel geredet. Es war unvernüftig, sich schuldig zu fühlen — damals waren wir davon überzeugt —, aber wir wurden das Unbehagen nicht los. So hörten wir für mindestens einen Monat auf, von dem Plan zu sprechen.
Nach zwei Wochen war Diotallevi wieder erschienen und hatte uns in zwanglosem Ton mitgeteilt, daß er Garamond um einen Erholungsurlaub gebeten habe. Die Ärzte hätten ihm eine Kur empfohlen, sagte er, ohne uns mehr darüber zu verraten, als daß sie ihn zwingen würde, sich alle zwei bis drei Tage in die Klinik zu begeben, und daß sie ihn ein biß-
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