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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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immer noch sagen, die Templer hätten eben das Geheimnis der Hohlen Nadel gekannt, und folglich sei die Botschaft in Provins im vierzehn-ten Jahrhundert geschrieben worden.«
    »Sicher, ich weiß. Aber jetzt kommt die dritte Botschaft.
    Drehscheibe Nummer drei auf die sechsten Buchstaben angewandt. Hör zu, was rauskommt — merde j’en ai marre de cette steganographie. * Und das ist modernes Französisch, die Templer sprachen nicht so. So hat Ingolf gesprochen, der, nachdem er sich erst damit abgeplagt hatte, seine Spinnereien zu chiffrieren, sich nun damit amüsierte, seine ganze Chiffriererei — chiffriert — zum Teufel zu jagen. Und daß er nicht ohne Witz war, siehst du auch daran, daß alle drei
    * Scheiße, ich hab genug von dieser Steganographie.
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    Botschaften genau sechsunddreißig Buchstaben haben. Tja, mein armer Pim, Ingolf hat genauso gespielt wie ihr, und dieser Blödmann von Oberst hat ihn ernst genommen.«
    »Und wieso ist Ingolf dann verschwunden?«
    »Wer sagt dir, daß er umgebracht worden ist? Vielleicht hatte er’s satt, in Auxerre zu leben, immer nur den Apotheker und seine altjüngferliche Tochter zu sehen, die den ganzen Tag lang am Jammern war. Vielleicht ist er nach Paris gegangen, hat eins von seinen alten Büchern günstig verkauft, hat eine nette kleine Witwe getroffen und ein neues Leben begonnen. Wie diese Ehemänner, die bloß mal eben Zigaretten holen gehen, und die Frau sieht sie nie wieder.«
    »Und der Oberst?«
    »Hast du nicht gesagt, daß nicht mal dieser Kriminalkom-missar sicher war, daß er umgebracht worden ist? Vielleicht hatte er irgendein faules Ding gedreht, seine Opfer hatten ihn erkannt, und da mußte er sich aus dem Staub machen.
    Vielleicht verkauft er in diesem Moment gerade den Eiffelturm an einen amerikanischen Touristen und nennt sich Du-pont.«
    Ich konnte mich nicht auf allen Fronten geschlagen geben.
    »Na schön, wir sind von einer Wäscheliste ausgegangen, aber dann waren wir um so bravouröser. Wir wußten selber, daß wir erfanden. Wir haben gedichtet, wir waren Poeten.«
    »Euer Plan ist nicht poetisch. Er ist grotesk. Es kommt den Leuten nicht in den Sinn, nach Troja zurückzukehren und es noch einmal anzuzünden, weil sie Homer gelesen haben.
    Mit Homer ist der Brand von Troja etwas geworden, was nie gewesen war und nie sein wird und doch immer fortbestehen wird. Die Ilias hat so viele Bedeutungen, weil sie ganz klar ist, ganz durchsichtig. Deine RosenkreuzerManifeste waren weder klar noch durchsichtig, sie waren ein dunkles Gemurmel und versprachen ein Geheimnis. Deswegen haben so viele versucht, sie wahr werden zu lassen, und jeder hat in ihnen gefunden, was er wollte. Bei Homer gibt es kein Geheimnis. Euer Plan ist voll von Geheimnissen, weil er voll von Widersprüchen ist. Deswegen könntest du Tausende von Unsicheren finden, die sofort bereit wären, sich in ihm wiederzuerkennen. Werft den ganzen Plunder weg. Homer hat nicht simuliert. Ihr habt simuliert. Wehe, wenn du simu-lierst, alle glauben dir. Die Leute haben Semmelweis nicht 646
    geglaubt, als er den Ärzten sagte, sie sollten sich die Hände waschen, bevor sie die Gebärenden anfassen. Er sagte zu simple Sachen. Die Leute glauben dem, der Haarwuchsmittel für Glatzköpfige anpreist. Sie spüren zwar instinktiv, daß er Wahrheiten zusammenkleistert, die nicht zusammenhalten, daß er nicht logisch ist und nicht seriös. Aber man hat ihnen gesagt, Gott sei komplex und unergründlich, und daher empfinden sie Inkohärenz als etwas Gottähnliches. Das Unwahrscheinliche ist dem Wunder am ähnlichsten. Ihr habt ein Haarwuchsmittel für Glatzköpfige erfunden. Das gefällt mir nicht, es ist ein häßliches Spiel.«
    Nicht daß diese Geschichte unseren Urlaub in den Bergen ruiniert hätte. Wir haben schöne Spaziergänge gemacht, ich habe seriöse Bücher gelesen, ich war noch nie so viel mit dem Kind zusammen. Aber zwischen Lia und mir war etwas ungesagt geblieben. Einerseits hatte sie mich in die Enge getrieben, und es hatte ihr keinen Spaß gemacht, mich zu demütigen, andererseits war sie nicht überzeugt, mich überzeugt zu haben.
    Tatsächlich empfand ich eine gewisse Sehnsucht nach dem Großen Plan, ich wollte ihn nicht wegwerfen, wir hatten zu lange zusammengelebt.
    Vor wenigen Tagen bin ich früh aufgestanden, um den einzigen Zug nach Mailand zu nehmen. Und in Mailand bekam ich dann den seltsamen Anruf von Belbo aus Paris und fing diese Geschichte an, die ich noch nicht zu Ende

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