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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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gelebt habe.
    Lia hatte recht. Wir hätten früher darüber reden sollen.
    Aber ich hätte ihr trotzdem nicht geglaubt. Denn ich hatte die Kreation des Großen Plans wie den Moment von Tifereth erlebt, das Herz des Sefiroth-Leibes, die Eintracht von Regel und Freiheit. Diotallevi hatte mir gesagt, daß Moses Cordovero uns gewarnt hatte: »Wer sich wegen seiner Torah über den Ignoranten erhebt, will sagen über ganze Volk Jahwehs, der bringt Tifereth dazu, sich über Malchuth zu erheben.« Doch was Malchuth ist, das Reich dieser Erde in seiner strahlenden Einfachheit, das begreife ich erst jetzt. Gerade noch rechtzeitig, um die Wahrheit zu erkennen, vielleicht zu spät, um sie zu überleben.
    647
    Lia, ich weiß nicht, ob ich dich wiedersehen werde. Wenn es nicht sein soll, ist das letzte Bild, das ich von dir habe, wie du dalagst vor wenigen Tagen, schlaftrunken unter den Dek-ken. Ich küßte dich und bin zögernd hinausgegangen.
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    7
    NEZACH
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    Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und
    Stoppel streifen?... Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen zu künft’gem Band um unsere
    Füße zieht... Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
    Faust, I, Vor dem Tor
    Was während meiner Abwesenheit geschehen war, besonders in den zwei letzten Tagen vor meiner Rückkehr, konnte ich nur aus Belbos files entnehmen. Doch unter denen gab es nur noch einen klaren Text, den letzten vermutlich, den Belbo kurz vor seiner Abfahrt nach Paris geschrieben hatte, damit ich oder jemand anders — zur künftigen Erinnerung
    — ihn lesen konnte. Die anderen Texte, die er wie üblich wohl nur für sich selbst geschrieben hatte, waren nicht leicht zu verstehen. Nur ich, der ich mittlerweile in die private Welt seiner Bekenntnisse vor Abulafia eingedrungen war, konnte sie einigermaßen entschlüsseln oder wenigstens erraten.
    Es war Anfang Juni. Belbo war unruhig. Die Ärzte hatten sich an den Gedanken gewöhnt, daß er und Gudrun die einzigen Angehörigen Diotallevis waren, und hatten sich endlich bereit gefunden, zu reden. Seither antwortete Gudrun auf die Fragen der Hersteller und Korrektoren nur noch, indem sie die Lippen tonlos zu einem kurzen Wort schürzte
    — die Art, wie man die tabuisierte Krankheit benennt.
    Gudrun ging Diotallevi jeden Tag besuchen, und ich fürchte, sie störte ihn durch ihre vor Mitleid glänzenden Augen.
    Er wußte Bescheid, aber er schämte sich bei dem Gedanken, daß die anderen Bescheid wußten. Er konnte nur mühsam sprechen. »Das Gesicht ist ganz Backenknochen«, hatte Belbo geschrieben. Die Haare fielen ihm aus, aber das lag an der Therapie. »Die Hände sind ganz Finger«, hatte Belbo geschrieben.
    Ich glaube, bei einem ihrer mühsamen Gespräche muß Diotallevi ihm schon angedeutet haben, was er ihm dann am 650
    letzten Tag sagte. Belbo machte sich bereits klar, daß Identifikation mit dem Plan von Übel war, vielleicht das Übel.
    Doch vielleicht um den Plan zu objektivieren und in seine rein fiktive Dimension zurückzuversetzen, hatte er sich hingesetzt und ihn aufgeschrieben, Wort für Wort, als handle es sich um die Erinnerungen des Oberst Ardenti. Er erzählte den Plan wie ein Initiierter, der sein letztes Geheimnis mitteilt. Ich glaube, für ihn war es eine Kur: Er erstattete der Literatur zurück, so schlecht sie auch sein mochte, was nicht Leben war.
    Am 10. Juni muß dann aber etwas passiert sein, was ihn erschüttert hatte. Die Aufzeichnungen darüber sind konfus, ich behelfe mich mit Konjekturen.
    Lorenza hatte ihn, scheint es, gebeten, mit ihr im Auto an die Riviera zu fahren, wo sie bei einer Freundin vorbeischauen und etwas abholen mußte, was weiß ich, ein Dokument, eine notarielle Urkunde, irgendeine Kleinigkeit, die genausogut mit der Post hätte geschickt werden können. Belbo hatte sofort zugesagt, beglückt von der Idee, einen Sonntag mit ihr am Meer verbringen zu können.
    Sie waren an den betreffenden Ort gefahren, ich habe nicht ganz verstanden, wohin genau, vielleicht in die Nähe von Rapallo. Belbos Sätze schilderten Stimmungslagen, nicht Landschaften wurden aus ihnen deutlich, sondern Erregun-gen, Spannungen, Niedergeschlagenheiten. Lorenza war ihre Besorgung machen gegangen, Belbo hatte solange in einer Bar gewartet, und dann hatte sie ihm vorgeschlagen, zum Mittagessen in ein Fischrestaurant hoch über dem Meer zu gehen.
    Von nun an zerfiel die Geschichte in Stücke, ich deduziere sie aus Dialogfetzen, die Belbo ohne Anführungszeichen an-einandergereiht

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