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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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hatte, hastig, als müßte er eine Serie von Epiphanien mitschreiben, bevor sie verblaßten. Sie waren so weit hinaufgefahren, wie es ging, hatten das Auto dann stehen lassen und waren zu Fuß weitergegangen, auf einem von diesen schmalen ligurischen Küstenpfaden zwischen Ginstersträuchern am Steilhang, und schließlich hatten sie das Restaurant gefunden. Aber kaum hatten sie Platz genommen, da sahen sie auf dem Tisch nebenan eine Karte stehen, die ihn für Doktor Agliè reservierte.
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    Na so ein Zufall, muß Belbo gesagt haben. Ein saudummer Zufall, sagte Lorenza, sie wolle nicht, daß Agliè sie hier sehe, hier mit ihm. Warum sie das nicht wolle, was denn so schlimm daran sei, ob Agliè etwa das Recht habe, eifersüchtig zu sein? Was heißt hier Recht, das ist eine Frage des Takts, er hatte mich zum Essen eingeladen für heute, und ich hab gesagt, ich sei leider beschäftigt, und jetzt möchte ich nicht als Lügnerin dastehen. Du stehst nicht als Lügnerin da, du bist wirklich beschäftigt, mit mir nämlich bist du beschäftigt, ist das vielleicht etwas, wofür du dich schämen mußt?
    Schämen nicht, aber du wirst mir schon noch erlauben, meine eigenen Diskretionsregeln zu haben.
    Sie hatten das Restaurant verlassen und sich wieder auf den Weg zum Auto hinunter gemacht. Aber plötzlich war Lorenza stehengeblieben, denn sie hatte Leute heraufkom-men sehen, die Belbo nicht kannte, Freunde von Agliè, wie sie sagte, von denen sie nicht gesehen werden wollte. Peinliche Situation: sie an das Brüstungsmäuerchen einer kleinen Brücke gelehnt, hoch über einem Olivenhang, mit einer Zeitung vor dem Gesicht, als stürbe sie vor Neugier, zu erfahren, was in der großen weiten Welt vorging, und er zehn Schritte entfernt von ihr, rauchend, als sei er ganz zufällig gerade da.
    Agliès Freunde waren vorbeigegangen, aber Lorenza meinte, wenn sie jetzt den Weg weitergingen, würden sie ihm begegnen, sicher sei er schon unterwegs. Zum Teufel, na wenn schon, hatte Belbo geflucht, und Lorenza hatte erwidert, er habe keine Spur von Feingefühl. Lösung: den Weg verlassen und quer durchs Gestrüpp den Hang hinunter zum Parkplatz. Keuchende Flucht über eine Reihe sonnen-durchglühter Terrassen, und Belbo verlor einen Absatz. Lorenza sagte, siehst du, ist doch viel schöner so, aber natürlich, wenn du weiter so rauchst, kommst du außer Atem.
    Schließlich waren sie zum Auto gelangt, und Belbo meinte, nun könnten sie auch gleich nach Mailand zurückfahren.
    Nein, widersprach Lorenza, vielleicht hat Agliè sich verspä-
    tet und nachher begegnen wir ihm auf der Autobahn, er kennt deinen Wagen, schau doch mal, was für ein schöner Tag heute ist, laß uns durchs Innere fahren, da muß es herrlich sein, dann kommen wir drüben zur Autostrada del Sole und essen am Po bei Pavia.
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    Wieso denn am Po bei Pavia, was heißt denn durchs Innere fahren, es gibt nur eine Möglichkeit, schau dir doch mal die Karte an, wir müssen hinter Uscio in die Berge rauf und dann quer durch den ganzen Apennin, mit Halt in Bobbio, und von da weiter nach Piacenza, bist du verrückt, das ist ja schlimmer als Hannibal mit den Elefanten! Hach, du hast eben keinen Sinn für Abenteuer, hatte sie geantwortet, und denk doch bloß mal, wie viele schöne Restaurants wir auf diesen Hügeln finden. Vor Uscio kommt Manuelina, das hat zwölf Sterne im Michelin, da gibt’s jeden Fisch, den wir wollen.
    Manuelina war knallvoll, mit einer Schlange von Warten-den, die jeden Tisch belauerten, an dem der Kaffee serviert wurde. Macht nichts, meinte Lorenza, ein paar Kilometer weiter gibt’s hundert bessere Lokale als dieses. Um halb drei fanden sie endlich ein Restaurant in einem Kaff, das, wie Belbo meinte, sogar die Militärkarten sich schämen würden zu registrieren, und aßen zerkochte Nudeln mit Büchsen-fleisch. Belbo fragte Lorenza, was hinter der Sache stecke, es sei ja doch wohl kein Zufall, daß sie ihn genau dahin geführt habe, wo Agliè hinkommen mußte, offenbar wollte sie jemanden provozieren, ihm sei nur nicht klar, wen von beiden, und sie fragte ihn, ob er paranoisch sei.
    Hinter Uscio probierten sie einen Paß, und als sie durch ein Dorf fuhren, das den Eindruck machte, als wäre es Sonntagnachmittag in Sizilien, und zwar zur Zeit der Bourbonen, war plötzlich ein großer schwarzer Hund quer über die Stra-
    ße getrottet, als hätte er noch nie ein Auto gesehen. Belbo hatte ihn mit der vorderen Stoßstange erwischt, es schien nichts weiter zu sein,

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