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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Lorenza, an so einem Ort werde sie nicht schlafen. Belbo versprach ihr, gleich etwas anderes zu suchen, sie solle ihm nur die Zeit lassen, an der Bar unten rasch einen Martini zu trinken. An der Bar fand er nur einen italienischen Cognac, und als er wieder ins Zimmer kam, war Lorenza nicht mehr da. Er ging an die Rezeption, um nach ihr zu fragen, und da lag eine Nachricht für ihn: »Liebster, ich habe einen prächtigen Zug nach Mailand gefunden. Ich fahre ab. Wir sehen uns nächste Woche.«
    Er war zum Bahnhof gelaufen, aber die Gleise waren schon leer. Wie in einem Western.
    Er war dann die Nacht über in Piacenza geblieben. Er hatte einen Kriminalroman gesucht, aber auch der Kiosk am Bahn-655
    hof war geschlossen. Im Hotel fand er nur eine Illustrierte des Touring Club Italiano.
    Zu seinem Unglück gab es in der Illustrierten eine Fotore-portage über die Apenninenpässe, die er soeben überquert hatte. In seiner Erinnerung — verblaßt, als wäre ihm die ganze Geschichte vor langer Zeit passiert — waren sie eine sonnenverbrannte, dürre, staubige Erde, übersät mit Stein-splittern. Auf den Hochglanzseiten der Illustrierten waren sie Traumlandschaften, die man sogar zu Fuß wieder aufsu-chen würde, um sie Schritt für Schritt noch einmal zu genie-
    ßen. Das Samoa von Surabaya-Jim.
    Wie kann einer in sein Verderben laufen, bloß weil er einen Hund überfahren hat? Und doch muß es so gewesen sein. In jener Nacht in Piacenza muß Belbo zu dem Schluß gekommen sein, daß er keine weiteren Niederlagen mehr erleiden würde, wenn er sich erneut aus der Realität in den Großen Plan zurückzog, denn im Großen Plan war er es, der entscheiden konnte, wer, wie und wann.
    Und es muß in derselben Nacht gewesen sein, daß er beschloß, sich an Agliè zu rächen, auch wenn er nicht genau wußte, warum und wofür. Er nahm sich vor, Agliè in den Großen Plan einzufügen, ohne daß er es merkte. Im übrigen war es ja typisch für Belbo, sich Revanchen zu suchen, deren einziger Zeuge er selber war. Nicht aus Scham, sondern aus Mißtrauen in die Zeugenschaft anderer. Wenn es gelang, Agliè in den Großen Plan hineinzulocken, würde er darin vernichtet werden, sich in Rauch auflösen wie der Docht einer Kerze. Irreal werden wie die Templer von Provins, wie die Rosenkreuzer, wie Belbo selbst.
    Es kann nicht so schwierig sein, dachte Belbo: wir haben immerhin Bacon und Napoleon auf unser Maß reduziert, warum also nicht auch Agliè? Wir schicken ihn gleichfalls auf die Suche nach der Karte. Von Ardenti und der Erinnerung an ihn habe ich mich befreit, indem ich ihn in eine Fiktion versetzte, die besser als seine war. So mache ich’s jetzt auch mit Agliè.
    Ich glaube, er glaubte es wirklich, so viel vermag das enttäuschte Verlangen. Dieser sein file endete, wie es nicht anders sein konnte, mit dem Pflichtzitat aller derer, die vom Leben besiegt worden sind: Bin ich ein Gott?
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    What is the hidden influence behind the press,
    behind all the subversive movements going
    around us? Are there several Powers at work? Or is there one Power, one invisible group directing all the rest — the circle of the real Initiales? *
    Nesta Webster, Secret Societies and Subversive Movements, London, Boswell, 1924, p. 348
    Vielleicht hätte er sein Projekt vergessen. Vielleicht hätte es ihm genügt, es niedergeschrieben zu haben. Vielleicht wäre alles noch gut ausgegangen, wenn er Lorenza sofort wiedergesehen hätte. Er wäre erneut von seinem Verlangen gepackt worden, und sein Verlangen hätte ihn gezwungen, sich mit dem Leben auf Kompromisse einzulassen. Statt dessen kam am Montag kein anderer als ausgerechnet Agliè in sein Büro hereinspaziert, lächelnd, nach exotischen Eaux-de-Cologne duftend, um ihm einige Manuskripte zurückzu-bringen, die abgelehnt werden konnten, und ihm zu sagen, er habe sie während eines herrlichen Wochenendes an der Riviera gelesen. Belbo wurde wieder von seinem Groll gepackt. Und so beschloß er, Agliè zu narren und ihm den Eiffelturm zu verkaufen.
    Mit Verschwörermiene gab er ihm zu verstehen, daß ihn seit über zehn Jahren ein Initiationsgeheimnis bedrücke. Ein Manuskript, das ihm von einem gewissen Oberst Ardenti anvertraut worden sei, der von sich sagte, er sei im Besitz des Welteroberungsplans der Templer... Der Oberst sei dann entführt oder getötet worden und seine Papiere seien verschwunden, doch er habe den Verlag Garamond mit einem Ködertext in der Tasche verlassen, einem gewollt

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