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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Teufel sehen, die das Uni-
    versum bevölkern, das Dasein wäre unmöglich.
    Talmud, Brachoth, 6
    Ich trat auf die Straße und befand mich unter den Lichtern an der Porte Saint-Martin. Arabisch war das Lokal gewesen, arabisch waren die Läden ringsum, die noch geöffnet hatten.
    Geruch von Couscous und Falafel, dichtes Gedränge. Gruppen von Jugendlichen, hungrig, viele mit Schlafsack, ganze Scharen, ich kam gar nicht in eine Bar hinein, um etwas zu trinken. Ich fragte einen Jungen, was denn los sei. Die Demonstration, sagte er, am nächsten Tag sei doch die große Demonstration gegen das Hochschulgesetz von Savary. Sie kamen mit Bussen.
    Ein Türke — ein Druse, ein verkleidetet Ismaelit — will mich in schlechtem Französisch in ein obskures Lokal lok-ken. Niemals! Weg, weg von Alamut! Du weißt nie, wer in wessen Diensten steht. Trau keinem!
    Ich gehe über die Kreuzung. Jetzt höre ich nur das Ge-räusch meiner Schritte. Vorteil der großen Städte: du gehst ein paar Meter und bist allein.
    Doch plötzlich, nach ein paar Blöcken, links das Conservatoire, bleich in der Nacht. Von außen vollkommen friedlich.
    Ein Monument, das den Schlaf des Gerechten schläft. Ich gehe weiter in südlicher Richtung, zur Seine. Ich hatte ein Ziel, aber ich habe es nicht mehr deutlich vor Augen. Ich möchte jemanden fragen, was passiert ist.
    Belbo tot? Der Himmel ist klar. Ich begegne einer Gruppe Studenten. Sie sind still, vom Genius loci erfaßt. Links die Silhouette von Saint-Nicolas-des-Champs.
    Ich gehe die Rue Saint-Martin hinunter, überquere die Rue aux Ours, sie ist breit wie ein Boulevard, ich fürchte, ich verliere die Orientierung, die ich doch gar nicht mehr habe.
    Ich schaue mich um und sehe zu meiner Rechten, an der Ecke, die beiden Schaufenster der Editions Rosicruciennes.
    717
    Sie sind dunkel, aber im Licht der Straßenlaternen und mit meiner Taschenlampe gelingt es mir, die Auslagen zu erkennen. Bücher und Gegenstände. Histoire des Juifs, Comte de Saint-Germain, Alchimie, Le Monde caché, Les Maisons se-crètes de la Rose-Croix, Le Message caché des cathédrales, Katharer, Neues Atlantis, ägyptische Medizin, der Tempel von Karnak, Bhagavad Gita, Reinkarnation, rosicrucianische Kreuze und Leuchter, Isis- und Osirisbüsten, Weihrauch in Dosen und in Form von Tabletten, Tarotkarten. Ein Dolch, ein Brieföffner aus Zinn mit rundem Griff, darauf das Siegel der Rosenkreuzer. Was soll das, wollen die mich verhöhnen?
    Ich überquere den Platz vor dem Centre Beaubourg. Bei Tag ist er ein Jahrmarkt, jetzt ist er fast leer, ein paar stille Grüppchen, Pennende, spärliche Lichter aus den umliegen-den Brasserien. Es stimmt. Große Saugnäpfe, die Energie aus der Erde saugen. Vielleicht sollen die Massen, die tagsüber das Gebäude füllen, die nötigen Vibrationen liefern, die hermetische Maschine nährt sich von Frischfleisch.
    Eglise de Saint-Merri. Gegenüber ein Buchladen, Librairie la Vouivre, zu drei Vierteln okkultistisch. Ich darf nicht hysterisch werden. Ich biege nach links in die Rue des Lombards ein, vielleicht um einer Schar skandinavischer Mädchen auszuweichen, die lachend aus einer noch offenen Taverne kommen. Still, wißt ihr nicht, daß auch Lorenza tot ist?
    Aber ist sie denn tot? Und wenn ich nun tot wäre? Rue des Lombards: von da geht nach rechts die Rue Flamel ab, und am Ende der Rue Flamel erhebt sich weiß der Turm Saint-Jacques. An der Kreuzung die Librairie Arcane 22, Tarotkarten und Pendel. Nicolas Flamel, der Alchimist, dazu ein alchimistischer Buchladen und dieser Turm Saint-Jacques mit den großen weißen Löwen am Sockel, dieser unnütze spät-gotische Turm an der Seine, nach dem auch eine esoterische Zeitschrift benannt worden ist. Pascal hat dort Experimente gemacht, um das Gewicht der Luft zu bestimmen, und noch heute gibt es dort oben in 52 Metern Höhe eine Wetterstation. Vielleicht hatten sie dort oben begonnen, ehe sie den Eiffelturm errichteten. Es gibt privilegierte Orte. Und niemand bemerkt sie.
    Ich gehe zurück Richtung Saint-Merri. Von neuem lachen-de Mädchen. Ich will keine Leute mehr sehen, ich gehe um 718
    die Kirche herum, durch die Rue du Cloître Saint-Merri —
    eine Seitentür, alt, aus rohem Holz. Zur Linken öffnet sich ein Platz, die äußere Grenze des Beaubourg, taghell erleuchtet. Auf dem weiten Platz die Maschinen von Tinguély und andere bunte Apparaturen, die im Wasser eines Beckens oder künstlichen Teiches schaukeln, träge-tückisch mit Zahnrädern

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