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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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und ihre Achsel drückte und leise sagte, ich solle ruhig sein.
    Hatte ich überhaupt zu Doktor Wagner gewollt, oder war das, was ich suchte, nicht eher die Avenue Elisée Reclus gewesen? Denn jetzt erinnerte ich mich: auf den Namen war ich im Zuge meiner Lektüre für den Großen Plan gestoßen,
    * Ich möchte der Turm sein, am Eiffelturm hängen.
    723
    es war jemand, der im vorigen Jahrhundert ich weiß nicht mehr welches Buch über die Erde geschrieben hatte, über den Untergrund und die Vulkane, jemand, der unter dem Vorwand, wissenschaftliche Geographie zu betreiben, die Nase in den Mundus Subterraneus gesteckt hatte. Einer von ihnen also. Ich war auf der Flucht vor ihnen und fand mich doch ständig von ihnen umgeben. Stück für Stück hatten sie im Laufe von wenigen hundert Jahren ganz Paris besetzt.
    Und den Rest der Welt.
    Ich mußte zurück ins Hotel. Würde ich hier noch ein Taxi finden? Womöglich war ich jetzt irgendwo draußen in der Banlieue. Ich ging in die Richtung, in der ich den Nachthim-mel etwas heller und offener sah. Die Seine?
    Und da, als ich an die Ecke kam, sah ich ihn.
    Links von mir. Ich hätte mir denken können, daß er da war, daß er da irgendwo in der Nähe lauerte, in dieser Stadt enthalten die Straßennamen unverkennbare Botschaften, man wird immer vorgewarnt, mein Pech, daß ich nicht darauf geachtet hatte.
    Da stand er, der metallene Riesenmenhir auf den Beinen einer gräßlichen eisernen Spinne, das Symbol und Instrument ihrer Macht! Ich hätte fliehen sollen, statt dessen zog es mich zu dem Gitternetz hin, ich hob und senkte den Kopf, denn aus dieser Nähe konnte ich das Monster nicht mehr mit einem einzigen Blick erfassen, ich war praktisch innen drin, zersäbelt von seinen tausend scharfen Kanten, ich fühlte mich bombardiert von Drahtnetzen, die allseits herunterfie-len, hätte das Riesentier sich nur ein kleines bißchen bewegt, es hätte mich zerquetschen können mit einer seiner Mecca-no-Pranken.
    Der Eiffelturm. Ich war an dem einzigen Punkt der Stadt, an dem man ihn nicht von weitem sieht, im Profil, wie er sich freundlich über das Meer der Dächer erhebt, leicht wie auf einem Bild von Dufy. Er ragte direkt vor mir auf, er schwebte über mir. Ich erahnte seine Spitze, aber nachdem ich ihn einmal umkreist hatte, trat ich unter ihn, zwischen die Beine, und sah die Strumpfbänder, den Bauch, die Genitalien, erahnte die verschlungenen Gedärme, die sich schwindelerregend nach oben mit der Speiseröhre vereinten in seinem polytechnischen Giraffenhals. Perforiert wie er war, hatte er die Macht, das Licht ringsum zu verdunkeln, 724
    und je nachdem, wie ich mich bewegte, bot er mir in verschiedenen Perspektiven verschiedene Rautenformen als Rahmen für Zooms in die Dunkelheit.
    Rechts war jetzt im Nordosten, noch niedrig über dem Horizont, eine Mondsichel aufgegangen. Manchmal rahmte der Turm sie mir ein, so daß sie aussah wie eine optische Täuschung, ein fluoreszierender Lichtreflex auf einem der rautenförmigen Bildschirme, die sein Gitterwerk bildete, aber ich brauchte bloß einen Schritt zu tun, schon änderte sich die Form der Bildschirme und die Mondsichel war nicht mehr da, hatte sich irgendwo zwischen den metallenen Rippen verfangen, das Tier hatte sie verschluckt, verdaut, in einer anderen Dimension aufgehen lassen.
    Tesserakt. Vierdimensionaler Kubus. Jetzt sah ich durch einen Bogen ein blinkendes Licht, nein zwei, ein rotes und ein weißes, sicher ein Flugzeug auf dem Weg nach Roissy oder Orly, was weiß ich. Aber gleich darauf — hatte ich mich bewegt, oder das Flugzeug, oder der Turm? — waren die Lichter hinter einer Rippe verschwunden, ich wartete, um sie im nächsten Rahmen wieder auftauchen zu sehen, und sie blieben verschwunden. Der Turm hatte hundert Fenster, die alle beweglich waren, und jedes ging auf ein anderes Segment der Raum-Zeit. Seine Rippen formten keine eukli-dischen Kurven, sie zerrissen das Gewebe des Kosmos, ver-kehrten Katastrophen, blätterten Seiten paralleler Welten um.
    Wer hatte gesagt, daß diese Nadel-Fiale von Notre-Dame de la Brocante dazu diene, Paris am Plafond des Universums aufzuhängen, »suspendre Paris au plafond de l’univers«? Im Gegenteil, der Eiffelturm läßt das Universum an seiner Spitze schweben — natürlich, schließlich ist er das Gegenstück zum Pendel!
    Wie hatte man ihn genannt? Einsames Suppositorium, hohler Obelisk, Triumph des Eisendrahtes, Apotheose des Pfeilers, luftiger Götzenaltar, Biene im Herzen

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