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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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der Windrose, trist wie eine Ruine, häßlicher nachtfarbener Koloß, miß-
    gestaltes Symbol einer nutzlosen Kraft, absurdes Wunder, sinnlose Pyramide, Gitarre, Tintenfaß, Teleskop, langatmig wie eine Ministerrede, antiker Gott und moderne Bestie...
    Dies alles und andres war er, und wenn ich den sechsten Sinn der Herren der Welt gehabt hätte, so hätte ich, nun, da 725
    ich eingebunden war in seine polypenverkrusteten Stimmbänder, ihn heiser die Sphärenmusik wispern hören, der Turm war in diesem Moment dabei, Wellen aus der hohlen Erde zu saugen und sie an alle Menhire der Welt auszusen-den. Rhizom vernagelter Gelenke, zervikale Arthrose, Prothese einer Prothese — was für ein Horror, von da, wo ich war, hätten sie, um mich in den Abgrund zu schmettern, mich zur Spitze hinaufschleudern müssen. Sicher kam ich gerade von einer Reise durchs Zentrum der Erde zurück, ich schwankte noch im antigravitationalen Taumel der Antipoden.
    Nein, wir hatten nicht phantasiert, der Turm erschien mir jetzt als der unheimliche Beweis für die Wahrheit des Gro-
    ßen Plans, aber bald würde er merken, daß ich der Spion war, der Feind, das Sandkorn in dem Getriebe, dessen Abbild und Motor er war, und dann würde er unmerklich eine Raute seiner bleiernen Klöppelspitzen nach unten verlängern und mich aufschlucken, ich würde in einer Falte seines Nichts verschwinden wie vorhin das Flugzeug, transferiert in ein Anderswo.
    Wäre ich nur noch ein wenig länger da unter seiner durch-brochenen Wölbung geblieben, seine großen Krallen hätten sich zusammengezogen, hätten sich wie Klauen um mich gebogen und mich zermalmt, und dann hätte das Tier wieder seine übliche tückische Position eingenommen: als ein mörderischer und sinistrer Bleistiftanspitzer.
    Noch ein Flugzeug. Diesmal kam es von nirgendwoher, der Turm hatte es zwischen seinen fleischlosen mastodonti-schen Wirbeln erzeugt. Ich betrachtete ihn, er nahm kein Ende, wie das Projekt, für das er geboren war. Wenn ich geblieben wäre, ohne verschlungen zu werden, hätte ich seine Veränderungen verfolgen können, seine langsamen Um-drehungen, seine infinitesimalen De- und Rekompositionen unter dem kalten Anhauch der Strömungen, vielleicht verstanden die Herren der Welt ihn als eine geomantische Zeichnung zu deuten, in seinen unmerklichen Metamorpho-sen hätten sie eindeutige Signale gelesen, unnennbare Aufträge. Der Turm drehte sich über mir wie ein Schraubenzie-her des Mystischen Pols. Oder nein, er stand unbeweglich da wie ein magnetisierter Zapfen und ließ das Himmelsgewöl-be um sich rotieren. Das Schwindelgefühl war dasselbe.
    726
    Wie gut der Turm sich zu tarnen weiß, sagte ich mir: Aus der Ferne winkt er dir freundlich zu, aber wenn du dich ihm näherst und in sein Geheimnis einzudringen versuchst, tötet er dich, er läßt deine Knochen gefrieren, einfach indem er den sinnlosen Horror vorzeigt, aus dem er gemacht ist. Jetzt weiß ich, daß Belbo tot ist und daß der Große Plan wahr ist, denn wirklich und wahr ist der Turm. Wenn es mir nicht gelingt zu fliehen, noch einmal zu fliehen, kann ich es niemandem sagen. Ich muß Alarm schlagen!
    Motorengeräusch. Halt, zurück in die Realität. Ein Taxi, es kam sehr rasch näher. Mit einem Sprung gelang es mir, mich aus dem magischen Kreis zu retten, ich winkte mit beiden Armen, fast wäre ich unter die Räder gekommen, weil der Fahrer erst im letzten Augenblick bremste, als ob er es ungern täte...
    Unterwegs gestand er mir dann, daß auch ihm, wenn er nachts vorbeikomme, der Turm angst mache, und dann gebe er Gas. »Warum?« fragte ich. »Parce que... parce que ça fait peur, c’est tout.«*
    Kurz darauf war ich am Hotel, aber ich mußte lange klingeln, bis mir ein schläfriger Nachtportier aufmachte. Jetzt erst mal schlafen, sagte ich mir. Alles weitere morgen. Ich nahm ein paar Tabletten, genug, um mich zu vergiften. Dann erinnere ich mich an nichts mehr.
    * Weil... das macht angst, das ist alles.
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117
    Die Narrheit hat ein großes Zelt; Es lagert bei ihr alle Welt, Zumal wer Macht hat und viel Geld.
    Sebastian Brant, Das Narrenschiff, 46
    Um zwei Uhr nachmittags wachte ich auf, benommen und steif. Ich erinnerte mich genau an alles, aber nichts sagte mir, ob das, was ich in Erinnerung hatte, wirklich geschehen war.
    Im ersten Moment wollte ich hinunterlaufen, um nur Zeitungen zu holen, aber dann sagte ich mir, daß in jedem Fall, selbst wenn eine Kompagnie von Spahis gleich nach dem Geschehen das

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