Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Schatzsuche zu widmen.«
    »Und der Überlistung von Unbedarften«, ergänzte der Kommissar. Dann wandte er sich an mich: »Ihnen hat er nicht gefallen, denke ich mir.«
    »Mir gefallen Typen wie er nicht«, sagte ich. »Aber es kommt mir nicht in den Sinn, sie mit Drahtschlingen zu erwürgen. Höchstens idealiter.«
    »Natürlich. Ist realiter auch zu anstrengend. Aber keine Angst, Signor Casaubon, ich gehöre nicht zu denen, die alle Studenten für Kriminelle halten. Gehen Sie beruhigt Ihrer Wege. Viel Glück bei der Promotion.«
    Belbo hatte noch eine Frage: »Entschuldigen Sie, Kommissar, nur um zu kapieren — sind Sie von der Mordkommission oder von der Politischen?«
    »Gute Frage. Mein Kollege von der Mordkommission ist gestern nacht hergekommen. Dann haben sie in den Archiven etwas über die Vergangenheit des Ardenti gefunden und die Sache mir übertragen. Ich bin von der Politischen. Aber ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob ich hier der richtige bin.
    Das Leben ist nicht so einfach wie in den Kriminalromanen.«
    »Dachte ich mir«, sagte Belbo und gab ihm die Hand.
    Wir gingen, und ich war nicht beruhigt. Nicht wegen des Kommissars, der mir in Ordnung schien, sondern weil ich zum erstenmal in meinem Leben mitten in einer obskuren Affäre steckte. Und gelogen hatte. Und Belbo mit mir.
    Wir verabschiedeten uns auf der Straße vor seinem Büro und waren beide verlegen.
    »Wir haben nichts Schlimmes getan«, sagte Belbo schuld-188
    bewußt. »Ob der Kommissar nun von Ingolf und den Katharern weiß oder nicht, macht kaum viel Unterschied. Das waren doch alles bloß Spinnereien. Vielleicht mußte Ardenti aus ganz anderen Gründen verschwinden, da gäbe es Tausende. Vielleicht ist Rakosky vom israelischen Geheimdienst und hat eine alte Rechnung beglichen. Vielleicht ist er von irgendeinem großen Boß geschickt worden, den der Oberst reingelegt hatte. Vielleicht war er ein alter Kamerad aus der Fremdenlegion mit einem Haß auf ihn. Vielleicht war er ein algerischer Killer. Vielleicht war die Sache mit dem Templer-schatz bloß eine Nebenaffäre im Leben unseres Obristen.
    Jaja, ich weiß schon, der Ordner ist weg, ob rot oder braun.
    Das haben Sie übrigens gut gemacht, daß Sie mir da wider-sprochen haben, so war’s klar, daß wir ihn nur flüchtig gesehen hatten...«
    Ich schwieg, und Belbo wußte nicht, wie er schließen sollte.
    »Sie werden sagen, ich wäre erneut weggelaufen... wie damals in der Via Larga.«
    »Unsinn. Wir haben es richtig gemacht. Auf Wiedersehen.«
    Er tat mir leid, weil er sich feige vorkam. Ich kam mir nicht feige vor, mir war beigebracht worden, daß man die Polizei belügt. Grundsätzlich. Aber so ist es nun mal, das schlechte Gewissen vergiftet die Freundschaft.
    Nach jenem Tage sah ich Belbo lange nicht mehr. Ich war sein schlechtes Gewissen und er das meine.
    Aber damals gelangte ich zu der Überzeugung, daß ein Student in jedem Falle verdächtiger ist als ein Promovierter. Ich arbeitete noch ein weiteres Jahr und füllte zweihundertfünfzig Ordner mit Material über den Templerprozeß. Es waren Jahre, in denen die Promotion noch als Prüfstein für loyale Befolgung der Gesetze des Staates galt, und man wurde mit Nachsicht behandelt.
    In den folgenden Monaten fingen dann einige Studenten zu schießen an, die Zeit der großen Demonstrationen im Freien ging zu Ende.
    Ich war knapp an Idealen. Aber ich hatte ein Alibi: durch 189
    meine Liebe zu Amparo liebäugelte ich mit der Dritten Welt.
    Amparo war schön, klug, Brasilianerin, Marxistin, enthusiastisch, cool, hatte ein Stipendium und ein herrlich gemischtes Blut. Alles zugleich.
    Kennengelernt hatte ich sie auf einer Party, und impulsiv hatte ich zu ihr gesagt: »Entschuldige, aber ich würde gern mit dir schlafen.«
    »Du bist ein dreckiger Macho.«
    »Dann vergiß es.«
    »Ich vergesse es nicht. Ich bin eine dreckige Feministin.«
    Sie mußte zurück nach Brasilien, und ich wollte sie nicht verlieren. Sie war es, die mich in Kontakt mit einer Universität in Rio brachte, wo ein Lektor für Italienisch gesucht wurde. Ich bekam die Stelle für zwei Jahre, mit der Aussicht auf Verlängerung. Und da mir Italien allmählich ein bißchen eng wurde, nahm ich an.
    Und außerdem, sagte ich mir, würde ich in der Neuen Welt keinen Templern begegnen.
    Illusionen, dachte ich vorgestern abend im Periskop. Als ich die Stufen zu Garamond hinaufstieg, war ich in den Palast eingedrungen. Also sprach Diotallevi: Binah ist der Palast, den Chochmah

Weitere Kostenlose Bücher