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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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übersetzt den Sohar und den Bahir, er nimmt Kontakt zu den Kabbalisten auf, lanciert ein Projekt für den Weltfrieden ähnlich dem der Rosenkreuzer, sucht den König von Frankreich für ein Bündnis mit dem Sultan zu gewinnen, bereist Griechenland, Syrien und Kleinasien, lernt Arabisch — mit einem Wort, er reproduziert den Bildungsweg des Christian Rosencreutz. Und nicht zufällig unterzeichnet er einige seiner Werke mit dem Namen Rosispergius, ›Morgentau-Sprenger‹. Und Gassendi schreibt in seinem Examen Philosophiae Fluddanae, dass Rosencreutz nicht von rosa komme, sondern von ros, also Morgentau. In einem seiner Manuskripte spricht er von einem Geheimnis, das es zu hüten gelte, bis die Zeit gekommen sei, und sagt: ›Damit die Perlen nicht vor die Säue geworfen werden.‹ Und wissen Sie, wo dieses Bibelzitat wieder auftaucht? Auf dem Frontispiz der Chymischen Hochzeit. Und Pater Marinus Mersenne sagt, um den Rosenkreuzer Fludd anzuprangern, er sei vom selben Schlage wie der atheus magnus Guillaume Postel. Andererseits scheint es, dass Dee und Postel sich anno 1550 getroffen haben, und vielleicht wussten sie da noch gar nicht und sollten es erst dreißig Jahre später wissen, dass sie die beiden Großmeister waren, die sich dem Großen Plan zufolge anno 1584 treffen sollten... Nun erklärt aber Postel, hört, hört, dass der König von Frankreich in seiner Eigenschaft als direkter Nachfahre des ältesten Sohnes von Noah — also des Stammvaters der keltischen Sippe und somit der Druidenkultur — der einzige legitime Anwärter auf den Titel des Königs der Welt sei. Jawohl, des Königs der Welt von Agarttha, und das sagt Postel drei Jahrhunderte vor Saint-Yves d'Alveydre! Lassen wir auf sich beruhen, dass er sich in eine alte Vettel namens Johanna verliebte und sie als die göttliche Sophia betrachtete, der Gute hatte wohl in dem Punkt nicht alle richtig beisammen. Beachten wir aber, dass er mächtige Feinde hatte, die ihn als elenden Hund beschimpften, als schändliches Ungeheuer, als Kloake aller denkbaren Häresien, besessen von einer Legion Dämonen. Und trotzdem, ungeachtet des Skandals mit der Johanna, betrachtete ihn die Inquisition nicht als einen Häretiker, sondern nur als amens, sagen wir: ein bisschen plemplem. Mit anderen Worten, man wagt es nicht, den Mann zu vernichten, weil man weiß, dass er der Sprecher einer ziemlich mächtigen Gruppe ist. Speziell für Diotallevi weise ich darauf hin, dass Postel auch den Orient bereist hatte und ein Zeitgenosse von Isaak Luria war, ziehen Sie daraus die Ihnen passend erscheinenden Schlüsse. Tja, und 1564 (im selben Jahr, als Dee seine Monas Ieroglyphica schreibt) widerruft Postel seine Häresien und zieht sich zurück in — na, raten Sie mal, wohin? —, in das Kloster Saint-Martin-des-Champs! Und worauf wartet er dort? Offenkundig auf das Jahr 1584.«
    »Offenkundig«, bestätigte Diotallevi.
    »Eben. Und ist Ihnen klar, was das heißt? Postel war der Großmeister der französischen Gruppe, der auf das Treffen mit der englischen Gruppe wartete. Aber er starb 1581, drei Jahre vor dem Treffen. Woraus zweierlei folgt: erstens, zu dem Zwischenfall von 1584 ist es gekommen, weil im entscheidenden Moment ein scharfsinniger Kopf wie Postel gefehlt hat, der imstande gewesen wäre, die Sache mit der Kalenderkonfusion zu kapieren; und zweitens, Saint-Martin war ein Ort, wo die Templer seit jeher zu Hause waren und wohin sich der Mann zurückzog, der mit der Durchführung des dritten Treffens beauftragt war. Saint-Martin-des-Champs war das Refugium!«
    »Alles fügt sich zusammen wie in einem Mosaik.«
    »Nun folgen Sie mir noch ein Stück weiter. Zur Zeit des versäumten Treffens ist Bacon erst zwanzig Jahre alt. Aber 1621 wird er Viscount von Saint Albans. Was findet er in dem gerbten Besitz? Geheimnis. Tatsache ist, dass er genau in dem Jahr der Korruption beschuldigt wird und für einige Zeit ins Gefängnis muß. Bacon hat etwas gefunden, das jemandem angst macht. Wem? Nun, sicher hat Bacon zu jener Zeit begriffen, dass Saint-Martin kontrolliert werden muß, und fasst die Idee, dort sein Salomonisches Haus zu errichten, das Laboratorium, das ihm erlauben soll, auf experimentellem Weg das Geheimnis zu lüften.«
    »Aber was«, fragte Diotallevi, »wäre dann das Bindeglied zwischen den Erben Bacons und den revolutionären Gruppen am Ende des achtzehnten Jahrhunderts?«
    »Vielleicht die Freimaurerei?« meinte Belbo.
    »Glänzende Idee. Im Grunde hatte Agliè

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