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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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    »Und Willermoz?«
    »In jenen Jahren waren alle erschüttert vom Tod Swedenborgs, eines Mannes, der den kranken Okzident vieles hätte lehren können, wenn der Okzident ihm Gehör geschenkt hätte, doch inzwischen verrannte sich das Jahrhundert immer mehr in den Wahn der Revolution, um die Ambitionen des Dritten Standes zu befriedigen... Nun, und genau in jenen Jahren hörte Willermoz von der Strikten Observanz des Möchtegerntemplers von Hund und war fasziniert. Es war ihm gesagt worden, dass ein Templer, der sich öffentlich als solcher erklärt, indem er eine öffentliche Templervereinigung gründet, kein Templer ist, aber das achtzehnte Jahrhundert war eine Epoche großer Gläubigkeit. Kurz, Willermoz probierte zusammen mit von Hund die verschiedenen Bündnisse durch, die hier auf Ihrer Liste stehen, bis der saubere Herr von Hund demaskiert wurde — ich meine, bis sich herausstellte, dass er einer von jenen Leuten war, die mit der Kasse durchbrennen — und ihn der Herzog von Braunschweig aus der Vereinigung ausschloss.«
    Agliè warf einen weiteren Blick auf unsere Liste: »Ah ja, der gute Weishaupt, den hatte ich ganz vergessen. Die bayerischen llluminaten zogen anfangs mit ihrem schönen Namen viele edelgesinnte Geister an. Aber dieser Weishaupt war ein Anarchist, heute würden wir sagen, ein Kommunist, und wenn Sie wüssten, worüber man in jenen Kreisen damals schwadronierte — Staatsstreiche, Absetzung von Souveränen, Blutbäder... Wohlgemerkt, ich habe Weishaupt sehr bewundert, aber nicht wegen seiner Ideen, sondern wegen seiner sehr klaren Vorstellung von der Funktionsweise einer Geheimgesellschaft. Aber man kann glänzende organisatorische Ideen und sehr konfuse Ziele haben. Mit einem Wort, der Herzog von Braunschweig sah sich plötzlich gezwungen, die Konfusion zu verwalten, die der Baron von Hund hinterlassen hatte, und begriff, dass es in der deutschen Freimaurerei nun mindestens drei einander bekämpfende Strömungen gab: die esoterisch-okkultistische, inklusive einiger Rosenkreuzer, die rationalistisch-aufklärerische und die anarchisch-revolutionäre der llluminaten. So schlug er den verschiedenen Logen vor, sich in Wilhelmsbad bei Hanau zu einem ›Konvent‹ zu treffen, wie man das damals nannte, wir könnten auch sagen: zu einer Versammlung der freimaurerischen Generalstände. Folgende Fragen sollten beantwortet werden: Entspringt der Orden wirklich einer uralten Initiationsgemeinschaft und wenn ja, welcher? Gibt es wirklich Unbekannte Obere, Wächter der uralten Überlieferung, und wenn ja, wer sind sie? Was ist das wahre Ziel des Ordens? Ist sein Endziel die Wiederherstellung des Ordens der Templerritter? Und so weiter, bis hin zu der Frage, ob sich der Orden mit Geheimwissenschaften beschäftigen sollte. Willermoz machte begeistert mit, endlich sollte er Antworten auf die Fragen bekommen, die er sich sein Leben lang inbrünstig gestellt hatte... Und dann kam der Fall de Maistre.«
    »Welcher de Maistre?« fragte ich. »Joseph oder Xavier?«
    »Joseph.«
    »Der Reaktionär?«
    »Nun, wenn er Reaktionär war, war er's nicht gründlich genug. Er war neugierig. Bedenken Sie, dass dieser treue Sohn der katholischen Kirche genau in dem Moment, als die Päpste anfingen, Bullen gegen die Freimaurer zu erlassen, in eine Loge eintrat, unter dem Namen Josephus a Floribus. Ja, er näherte sich den Freimaurern bereits 1773, als ein päpstliches Schreiben die Jesuiten verurteilte. Natürlich näherte sich ein Mann wie de Maistre den Logen vom Schottischen Ritus, das ist klar, er war kein bürgerlicher Illuminist im Sinne der Aufklärung, sondern ein Illuminé — und bitte beachten Sie den Unterschied, denn die Italiener nennen die Jacobiner Illuministen, während man in anderen Ländern mit demselben Ausdruck die Anhänger der Tradition bezeichnet, es ist schon wirklich ein kurioses Durcheinander... «
    Agliè nippte an seinem Cognac, zog ein Etui aus fast weißem Metall hervor, entnahm ihm Cigarillos von ungewöhnlicher Form (»Die beziehe ich direkt aus London«, sagte er, »von derselben Firma wie die Zigarren, die Sie neulich bei mir zu Hause probiert haben. Bitte, bedienen Sie sich, die sind ganz vorzüglich...«) und blickte versonnen in die Ferne, während er weitersprach.
    »Tja, de Maistre... Ein Mann von exquisiten Manieren, ihm zuzuhören war ein Genuss. Und er hatte sich große Autorität in den Kreisen der Eingeweihten erworben. Jedoch in Wilhelmsbad enttäuschte er die Erwartungen

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