Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
ein.
»Ist ja immerhin schon ’ne ganze Weile her«, fügte Isabella hinzu, die neben ihm saß und seine Hand hielt.
»Wäre das der Fall«, sagte Night, »stünden wir jetzt nicht hier. Nein. Wir müssen Byron wieder lebendig machen und ihn nach dem Versteck fragen. Anders geht es nicht.«
»Und wo soll dieses Experiment stattfinden, wenn ich fragen darf, Sir?«, wollte Millycent wissen. »Hier bei uns?«
»Das ist leider völlig unmöglich«, sagte Night. »Wir sind zu tief unter der Erde. Um das Experiment erfolgreich durchführen zu können, ist die Kraft eines Gewitters notwendig.«
»Eines Blitzes, meinen Sie?«, fragte Purdy.
»Ganz recht, Mr Purdy«, bestätigte Night. »Die Windmühle von West Blatchington, in der Mary Shelley Frankensteins Maschinen versteckte, ist wie geschaffen dafür. Glücklicherweise ist sie nach wie vor im Besitz der britischen Krone. Sie ist ohnehin nur an Sonntagen für Besucher geöffnet und wird unter dem Vorwand, sie für das 60. Krönungsjubiläum im nächsten Jahr zu renovieren, auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Innenminister hat bereits alles in die Wege geleitet, sodass wir das Experiment dort ungestört durchführen können. Die beiden Kinder bleiben selbstverständlich so lange hier bei uns.«
Kinder! Adrian hatte sich wohl verhört. »Das ist nicht selbstverständlich«, widersprach er trotzig. »Ich bin kein Baby mehr. Außerdem will ich bei Mr Talbot bleiben.«
»Und mich hält hier unten sowieso nichts«, sagte Isabella. »Hier kriegt man ja Platzangst.«
Um Talbots Mund spielte ein kleines Lächeln. »Sie haben es gehört, Sir«, sagte er.
»Wie ihr wollt.« Night schnaufte. »Aber Sie haben ein Auge auf die beiden, Larry.«
»Selbstverständlich, Sir.«
Damit war der Auftrag klar. Purdy, Millycent und Talbot würden in der Mühle sämtliche Vorbereitungen für das Experiment treffen. Und Adrian und Isabella würden ihnen dabei zur Hand gehen.
West Blatchington Windmill, Holmes Avenue, Hove
Eine alte Mühle. Wie passend, dachte Purdy. Endete die Filmversion von Frankenstein nicht auch in einer Mühle? Und der Film war nicht wirklich gut ausgegangen, oder? Am Ende waren so ziemlich alle tot. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Und das lag nicht daran, dass er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Laurie stellte zwar keine Gefahr mehr da, aber wer konnte schon mit Sicherheit sagen, ob es nicht doch Komplizen oder gar einen Auftraggeber gab?
Die Windmühle sah genauso aus, wie John Constable sie gemalt hatte, nur dass sie nicht mehr ganz so einsam dalag. Tatsächlich stand sie fast mitten in der Stadt. Auch wenn West Blatchington und das angrenzende Hangleton nicht gerade Zentren des pulsierenden Lebens waren, machte sich Purdy doch Sorgen, ob es ihnen gelingen würde, hier ungestört zu arbeiten.
»Worauf wartest du noch, Maxwell?«, fragte Millycent hinter ihm und schob ihn durch die schwere Eichentür, die in den Angeln knarrte, ins Innere der Mühle.
Isabella, Adrian und Talbot folgten ihnen.
Staub tanzte im Licht der Abendsonne, die wie Laserstrahlen durch sämtliche Ritzen hereinfiel.
Purdy machte, seinen Watts Blaster im Anschlag, ein paar Schritte ins Zwielicht hinein. Dann wandte er sich nach rechts, um sicherzustellen, dass sich niemand hinter dem mannshohen Stapel aus Holzkisten versteckte.
Adrian sah mit klopfendem Herzen zu, wie die Agenten die Mühle sicherten. Millycent Miller verschwand durch eine niedrige Tür, um die hinteren Räume zu inspizieren. Dabei bewegte sie sich geduckt und mit geschmeidigen Bewegungen wie eine Katze. Erst als sie zurückkehrte und Entwarnung gab, steckte Purdy seinen Watts Blaster ins Holster zurück und schaltete die Beleuchtung ein.
Adrian fühlte sich gleich besser. Was Licht doch für einen Unterschied machte! Das Innere der Mühle sah überhaupt nicht mehr unheimlich aus. Im Vorraum gab es, neben zahlreichen Ausstellungsstücken zum Müllerhandwerk, sogar einen kleinen Stand mit Souvenirs. »Warum, zum Geier, hat Mary Shelley die Apparaturen und Maschinen Frankensteins gerade hierher bringen lassen?«, fragte Adrian.
»Ich nehme an, sie hat vorausgesehen, dass die Alte Anatomie auf die Dauer nicht sicher war«, meinte Millycent. »Und die Karte hinterließ sie für den Fall, dass Dr. Frankenstein doch noch zurückkehren würde.«
»Vielleicht stimmt die Geschichte ja auch gar nicht«, wandte Isabella ein. »Was, wenn sich der Alte in Ingolstadt das alles nur
Weitere Kostenlose Bücher