Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
zu sein. Doch Night bestand darauf, alles genau so auszuführen, wie Frankenstein es vor fast 200 Jahren beschrieben hatte.
Gegen Abend, als die Mitarbeiter der Agency mit den letzten Arbeiten beschäftigt waren, trat Talbot zu Isabella und Adrian, die auf einer flachen Holzkiste in einer Ecke des unteren Stockwerks der Mühle saßen und Händchen haltend den Vorbereitungen zusahen. »Hört mal zu, ich muss euch was sagen.« Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, sah Talbot von einem zum anderen. »Ich denke, was da gleich passieren wird, ist nichts für euch«, sagte er. »Ich hielte es für besser, wenn ihr so lange drüben im Versammlungsraum wartet, bis die Sache vorbei ist.«
»Das glauben Sie doch wohl selber nicht!«, empörte sich Isabella. »Hier findet die abgefahrenste Aktion im ganzen Universum statt und ich soll draußen bleiben! Nee! Nicht mit mir.«
»Isabella hat recht. Und ohne uns beide wären Sie gar nicht erst bis hierher gekommen.« Adrian hob das Kinn und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Also, ich werde auf alle Fälle zusehen. Und wenn Sie sich auf den Kopf stellen.«
Talbot widersprach nicht. Er fühlte sich krank. Sein Nacken schmerzte und ein dumpfes Ziehen machte sich bereits in seinen Nieren bemerkbar.
Im Westen braute sich das angekündigte Gewitter zusammen. Und aus den Fluten des Atlantiks stieg langsam der Vollmond.
Das Gewitter
West Blatchington Windmill, Holmes Avenue, Hove
Der Wind heulte um die Häuser. Und mit Einbruch der Dunkelheit setzte strömender Regen ein, der auf die Dächer niederprasselte und gegen die Fensterscheiben klatschte. Über dem Devil’s Dyke, jenem höchsten Punkt der Downs, den der Landschaftsmaler Constable als die perfekte Aussicht bezeichnet hatte und von wo aus man sowohl Brighton im Süden erkennen als auch bis nach Steyning im Norden blicken konnte, zuckten die ersten Blitze.
Die riesige Kiste mit Byrons Leichnam stand, mit einer grauen Plane bedeckt, in der Mitte des Raums. Darüber, auf der an starken Eisenketten hängenden Gitterplattform eines Lastenaufzugs, stand Maxwell Purdy in luftiger Höhe und schraubte die Halterungen für den Operationstisch an.
Adrian saß jetzt allein auf der flachen Holzkiste und kaute nervös an den Fingernägeln. Er war müde und ihm war kalt. Neben ihm lag sein Album. Bis vor ein paar Minuten noch hatte er es gemeinsam mit Isabella durchgeblättert, und sie hatte ihm von ihren Eltern erzählt und wie sehr sie sie vermisste. Isabella war echt in Ordnung, in ihrer Nähe fühlte er sich nicht ganz so verloren … Plötzlich hörte er Talbot nach Agent Miller rufen, und das riss ihn aus seinen Gedanken. Er beobachtete, wie Millycent Miller aufstand und zu Talbot ging. Im Vorbeigehen strich sie Adrian übers Haar.
Adrian sah sie zusammenstehen und miteinander reden. Ihren Gesichtern nach zu urteilen, handelte es sich um etwas Ernstes. Talbot hielt eine Flasche in der einen und ein aufgerolltes Seil in der anderen Hand. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Er sah krank aus, fand Adrian.
In diesem Moment kam Isabella mit einem Becher Tee in der Hand aus der behelfsmäßigen Küche. Sie setzte sich wieder neben Adrian und hielt ihm den Becher hin. »Hier«, sagte sie, »trink einen Schluck. Das wird dich aufwärmen.«
Adrian nahm den Tee mit beiden Händen entgegen. »Danke.« Er blinzelte und fragte dann: »Glaubst du, dass das funktioniert?«
»Was meinst du?«
»Die Maschine«, sagte Adrian. »Ist doch absolut unglaublich, oder? Denkst du, die kriegen diesen Byron wirklich wieder hin?«
»Weiß nicht. Schon möglich.« Isabella zuckte die Achseln. »Die hoffen es wenigstens.«
Adrian sagte eine ganze Weile nichts. Er saß einfach nur da und blinzelte nachdenklich vor sich hin.
»Hast du Angst?«
»Nein! So ein Quatsch!« Völlig entrüstet sah er Isabella an. »Nein, aber ich frage mich …«
»Hm? Was denn?«
Adrian hatte sein Album auf dem Schoß. Die Augen niedergeschlagen, fragte er leise: »Meinst du … Denkst du, die könnten das mit meiner Tante auch machen?«
Das war das Traurigste, was Isabella jemals gehört hatte. Sie dachte an die Art und Weise, wie seine Tante gestorben war, tastete nach Adrians Hand und drückte sie. »Ich glaube nicht«, sagte sie. Dann wischte sie ihm sanft die Träne ab, die ihm über die rechte Wange lief.
»Ich weiß nicht genau, wann es passieren wird. Aber es ist bald so weit«, sagte Talbot. Er hatte sich mit Agent Miller in einen kleinen,
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