Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
hoch. Er war noch immer aus der Puste. Aber der Vorsprung, den er sich jetzt herausgefahren hatte, würde reichen. Maxwell und seine Leute konnten den unmöglich aufholen. Über Tage schon gar nicht. Und bis Scott Morrison die programmierte Sperre umgangen und eine neue Elevator-Kapsel von der Schaltzentrale hinter ihm hergeschickt hatte, würde mindestens eine Stunde vergehen. Ohnehin kämen sie an seiner Kapsel nicht vorbei. Sie würden sie schon wegschieben müssen, um an den Ausstieg andocken zu können.
Laurie war sehr zufrieden mit sich. Er warf einen Blick durch das kleine Bullauge nach draußen auf die Gangway und lachte sich ins Fäustchen. Wie erwartet, war dort keine Menschenseele zu sehen. Sobald er draußen war, war er all seine Sorgen los. Ein für alle Mal. Zahlungskräftige Käufer für Frankensteins Aufzeichnungen hatte er reichlich an der Hand. Schon morgen würde er in Geld nur so schwimmen – und sich nie wieder für Darwin Night und seinen Drecksverein aufreiben müssen.
Er kicherte vergnügt in sich hinein und betätigte den Türöffner. Ein fataler Fehler. Es gab ein saugendes Geräusch und dann verfärbte sich das kleine Bullauge des Elevators schlagartig rot, als 130 Kilo menschliches Leben im Bruchteil einer Sekunde in den nur wenige Millimeter breiten Hohlraum zwischen Kapsel und Tunnelwand gesogen wurden.
Laurie hatte vergessen, den Druckregler zu betätigen und das Vakuum in der Luftschleuse auszugleichen! Er war sofort tot. Tatsächlich war er schon tot gewesen, noch bevor sein Gehirn überhaupt registriert hatte, dass irgendwas nicht stimmte.
Die Mühle
Night’s Agency, London
Laurie war tot – und der Koffer samt Inhalt war einem Spezialisten der Agency übergeben worden, der den Auftrag bekam, Frankensteins Aufzeichnungen vollständig lesbar zu machen.
Eigentlich hätte Darwin Night zufrieden sein müssen, dachte Adrian, als sie eine Stunde darauf in dessen Büro saßen. Doch er sah ganz und gar nicht zufrieden aus. Mit sorgenvollem Gesicht ging er vor seinem mächtigen Schreibtisch auf und ab.
»Ausgestanden ist die Sache noch lange nicht. Das Wohl unseres Landes hängt jetzt allein von Byrons Erwachen ab«, sagte er. »Wenn diese Maschinerie des Lebens nicht funktioniert, sind wir am Ende.«
»Ich denke, es wäre allmählich an der Zeit, die Tatsachen auf den Tisch zu legen, Mr Night«, sagte Talbot. »Was ist so wichtig, dass man dafür einen Toten wiederauferstehen lassen muss?«
Gespannt wartete auch Adrian auf die Antwort. Diese Frage war ihm selbst wieder und wieder durch den Kopf gegangen.
Night blieb stehen und sah von einem zum anderen, während er mit der rechten Hand seinen Nacken massierte.
Talbot und die Agenten Purdy und Miller warteten ebenso gespannt auf Mr Nights Worte wie er und Isabella, wie Adrian mit einem Blick in die Runde feststellen konnte.
Schließlich sagte Night: »Wie Sie alle wissen, ging Lord Byron nach Griechenland, um im Krieg gegen die Türken zu kämpfen. Was jedoch niemand weiß, ist, dass er nicht aus lauter Selbstlosigkeit oder Liebe zu den Griechen in diesen Krieg zog. Er war einer der ranghöchsten Agenten unserer Organisation. Und er ging im direkten Auftrag des englischen Königshauses nach Mesolongi, um die Freiheitskämpfer zu unterstützen. Leider starb er dort kurz nach seiner Ankunft an einer Lungenentzündung. Wie Sie sich denken können, führte Byron als Agent einige unserer Geheimwaffen und streng vertrauliche Dokumente der Agency mit sich – darunter eine Liste unserer Kontakte. Wir wissen, dass er alles an einem sicheren Ort in Mesolongi versteckt hat. Aber wir wissen nicht, wo. Das ist umso bedauerlicher, da in Mesolongi trotz der Wirtschaftskrise gegenwärtig ein ungeheurer Bauboom herrscht. Ausländische Investoren nutzen die Gunst der Stunde und kaufen günstig Land. Alte Häuser werden abgerissen, Grundstücke neu bebaut. Falls jemandem dabei Byrons Nachlass in die Hände fiele, würde nicht nur die geheime Existenz unserer Organisation enttarnt werden – was selbstredend das sofortige Ende unserer Arbeit bedeutete. Es käme zudem möglicherweise selbst nach fast 200 Jahren noch zu einer diplomatischen Krise, die die Grundfesten der Monarchie in unserem Land erschüttern würde, wenn bekannt würde, dass König George IV. im Geheimen den Aufstand der Griechen unterstützte, ja, sogar anordnete. Das können wir nicht riskieren!«
»Vielleicht sind die Sachen ja schon gefunden worden«, warf Adrian
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