Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
grotesk?« Sie schüttelte den Kopf, sodass ihre hellen Locken flogen. »Dieser übertriebene Computerkram macht mich von Jahr zu Jahr nervöser«, gab sie zu.
»Ist es dir lieber, Straßenkarten auf deinem Schoß auseinanderzufalten?«
»Darum geht es nicht«, sagte sie. »Wenn ich ›magnetischer Nordpol, Arktis‹ in das Ding da eingebe, wird es mir bestimmt auch zwei oder drei Routen ausspucken. Eine davon direkt zum Weihnachtsmann.«
»Probier es doch mal«, schlug Purdy vor. »Wäre einen Versuch wert, wenn du mich fragst.«
»Wir haben mittlerweile Watts Blaster, die sich selbst entsichern und die ungefragt Kugelblitze verschießen, wenn man nicht aufpasst. Wagen, die automatisch ihren Motor starten. Unser Mann in China hat sogar eine computergesteuerte Toilette, die seinen Hintern scannt, um die benötigte Menge an Klopapier zu berechnen. Wir haben uns in allem fast ganz und gar von Computern abhängig gemacht, Maxwell. Hast du dir noch nie Gedanken darüber gemacht, wo das alles mal enden soll? Es ist diese ganze Automatisierung – die führt doch am Ende zu nichts Gutem. Wir haben einfach zu viel davon. Glaub mir, eines Tages wird uns das noch das Genick brechen.«
»Mach dir keine Sorgen, Milly, ich hab alles im Griff.«
»Noch«, sagte sie, »noch. Übrigens: Hat Night dir gesagt, was drin ist? In dem Koffer, meine ich?«
»Nein, du kennst ihn doch. Je weniger man weiß, umso weniger kann man im Ernstfall verraten. Ich weiß auch nur, was ich neulich auf der eBay-Seite gesehen habe.«
»Dass der Koffer ein paar vergilbte Papiere enthält.«
»Genau.«
»Und du meinst, das ist alles?«
»Was weiß denn ich?«, sagte Purdy. »Es ist nicht meine Aufgabe, mir darüber Gedanken zu machen.«
Millycent sah ihn im Rückspiegel mitleidig an. »Möglicherweise machst du dir zu wenig Gedanken, Maxwell«, meinte sie. »Jede Wette: Der Computer weiß genau, was für ein Geheimnis in dem Koffer steckt und weshalb Night hinter ihm her ist.«
»Der Computer? Schon klar.«
»Beim nächsten Mal werde ich ihn danach fragen.«
»Traust du dich eh nicht.«
»Ach, und wieso nicht? Was soll er schon tun? Mir den Kopf abreißen vielleicht? Oder mich entlassen?«
»Du hast vielleicht Nerven. Unser Auftrag lautet, den Koffer ausfindig zu machen und samt Inhalt schnellstmöglich nach London zu bringen. Alles Weitere wird sich fügen. Okay?«
»Okay, Schwamm drüber. Hast du eine Ahnung, weshalb wir den Koffer nicht schon beim Absender einkassiert haben?«
Purdy zuckte im bläulichen Zwielicht die Achseln. »Das muss an den Serverschäden gelegen haben. Soviel ich weiß, war der Koffer bereits unterwegs, als Laurie das Ding endlich repariert hatte und die Zielkoordinaten ermitteln konnte. Deshalb müssen wir zum Empfänger.«
»Ich mag den Mann nicht. Bei ihm bin ich mir nie sicher, ob er immer ganz genau weiß, was er tut.«
»Oh, das kannst du unbedingt«, versicherte Purdy. »Er ist einer der Besten. Wenn nicht sogar der Beste. Laurie hat sogar ausgerechnet, wann der Koffer ankommt.«
»Nicht zu glauben«, sagte Millycent. Und das war es in der Tat.
Das Tuckern des Motors erstarb.
»Ups. Du hast ihn abgewürgt, Millycent.«
»Das habe ich ganz sicher nicht«, protestierte sie. »Ich habe ja gar nichts gemacht. Nur dagesessen und zugehört.«
»Super Arbeitseinstellung«, sagte Purdy. »Nur dazusitzen und nichts zu tun.«
»Punkt für Maxwell«, sagte sie. »Was schlägst du vor?«
»Wir haben keinen Saft mehr«, stellte Purdy fest, nachdem er das System gecheckt hatte. Der Tank war voll, aber die Batterieanzeige blinkte und zeigte einen überdurchschnittlich hohen Energieverbrauch an. »So, wie ich Night kenne, gibt’s hier irgendwo eine Ersatzbatterie oder zumindest ein Ladegerät.«
»Ein Ladegerät?«, wiederholte Millycent. »Hast du eine Ahnung, wie lange das braucht? Da können wir den Van auch gleich nach Ingolstadt schieben.«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Noch nicht.«
»Dann suche ich in der Zwischenzeit mal nach dem Ladegerät. Okay?«
Millycent stieß einen zentnerschweren Seufzer aus. »Ich hab’s ja gewusst«, sagte sie, die Stirn aufs Lenkrad gelegt.
Purdy durchsuchte die geheime Garage von oben bis unten, aber eine Ersatzbatterie fand sich ebenso wenig wie ein Ladegerät. Millycent gab zu bedenken, dass es möglich sei, die Lichtmaschine zur Stromerzeugung mithilfe eines Fahrrads und einem Paar Damenstrümpfen anzutreiben. Dummerweise gab es in der Garage auch kein Fahrrad
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