Das Frauenkomplott
Urlaub. In den Räumen des Museums und auch in den Büros war es kühl und so kam ich früh und ging spät. Die zusätzliche Zeit versuchte ich zu nutzen, um mich auf die Pirsch nach verschiedenen Objekten für Adrian zu machen. Es hatte sich gut angelassen. Ich war mit dem Verkäufer des Picasso in der nächsten Woche persönlich verabredet. Und natürlich war ich ein bisschen aufgeregt. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, meine Wohnung umzuräumen und mein Arbeitszimmer besser durchzuorganisieren, denn ich plante, meine »Geschäfte« von dort aus zu steuern. Aber in der Schwüle, die augenblicklich herrschte, war das nicht möglich. Wie alle Menschen hockte ich abends entweder auf meinem Balkon, häufiger aber in einem an der Spree gelegenen Gartenlokal, denn hier hatte ich mit Blick auf das Wasser wenigstens die Illusion, dass sich die Luft bewegte.
Auch heute sprang ich völlig durchgeschwitzt nach den sieben Kilometern Fahrrad unter die Dusche und wusch mir den Dreck der Stadt ab, der sich an mich geklebt hatte. Natürlich klingelte das Telefon genau in dem Moment, als ich pitschnass und von oben bis unten eingeseift war. Ich hätte mich über eine Abwechslung für heute Abend gefreut. Mari wollte erst morgen zurückkommen, sie war von München wieder nach Frankfurt gereist, bei unserem letzten Telefonat hatte sie doch tatsächlich angekündigt, bei ihrer kurzen Stippvisite in Berlin am kommenden Wochenende mit Beate und mir an einen See zum Baden fahren zu wollen. Mit S-Bahn und Fahrrad! Ich neige zwar zu Extremen, aber so viele Kilometer auf dem Fahrrad, schien mir übertrieben. Aber mir schien das im Moment gesünder, als in das andere Extrem zu verfallen und sich überhaupt nicht zu bewegen, dafür aber mehr zu essen, also stimmte ich zu.
Obwohl ich, nass wie ich war, vom Badezimmer bis ins Wohnzimmer eine Wasser- und Seifenschaumspur legte, kam ich zu spät. Als ob ich es geahnt hätte, legte derjenige, der mich aus der Dusche gejagt hatte, genau in dem Moment auf, als der Anrufbeantworter einsetzte. Ruth schimpft immer mit mir, wenn ich mich aus jeder Lage zum Telefon hetzen lasse, aber Neugier ist mein zweiter Name und ich will gern direkt dran sein.
Eine Stunde später, als ich in einem weiten Baumwollkleid, das Leichteste, was ich hatte, hinter den noch geschlossenen Rollläden meines Schlafzimmers auf dem Bett lag und irgendwas dachte, was nicht mit Wetter zu tun hatte, klingelte das Telefon zum zweiten Mal.
Diesmal war ich schneller und während ich mit der Rechten das große Fenster im Wohnzimmer nun doch zu öffnen wagte, um zu gucken, ob es draußen mittlerweile kühler war als hier drinnen, klemmte ich mir mit der Linken das Telefon ans Ohr und fragte – meiner Meinung nach – munter: »Wer stört denn hier den lauen Abend?«
»Oh«, räusperte sich jemand, »Entschuldigung …«
War das etwa Jerôme?, schoss es mir durch den Kopf. »Wer stammelt da in mein Telefon?«, ermunterte ich den Anrufer.
»Entschuldigen Sie bitte, ich bin’s … Manuel …«
»Schröder?«, fuhr ich dazwischen.
Pause.
»Wir haben uns im Café im Museum … vor ein paar Wochen getroffen, mit Mari …«
»Ja?«, fuhr ich ihm wieder in seinen Versuch, einen Satz zu Ende zu sprechen. Was bist du für eine blöde Kuh, raunzte ich mich innerlich selbst an, ließ das Fenster los und setzte mich auf meinen Lieblingssessel. Der Geiger, nein, der Zimmermann, warum rief der an? Manuel heißt er, und nicht Schröder, doch, Schröder, aber doch nicht so. Was wollte er, wieso wollte er was? Gott sei Dank aber, und woher hatte er meine Telefonnummer? Ach ja, ich stand ja im Telefonbuch, hatte er denn meinen Namen behalten? Meine Güte, das heute Abend! Mari – wer könnte sonst … Ich schluckte, aber viel mehr tat ich nicht.
»… im Café im Jüdischen Museum.«
»Mmmh, ah!«
»Erinnern Sie sich noch?«
Welche Frage, natürlich erinnerte ich mich, wer sollte denn diese Erscheinung vergessen, wollte der mich etwa auf den Arm nehmen? Ich hatte eine Faust in der Magengrube, die sich langsam durch mich hindurchbohrte zum Hals. »Ja!«, keuchte ich. Was wollte er? Von mir?
»Um was geht’s?« Viel herrischer und abweisender konnte ich eigentlich nicht sprechen. »Raus mit der Sprache, Herr Schröder!« Oh Gott, geht es noch burschikoser, das wird ja immer schlimmer, ohrfeigte ich mich innerlich und sprang auf, um in der Wohnung herumzulaufen.
Er schwieg einen Moment. »Mari hat mir Ihre Nummer gegeben. Sie möchte
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