Das fremde Gesicht
den Ball hinten im Garten zu. Da hast du mehr Platz.«
»Das hat Dad auch gesagt. Er grapscht nach dem Telefon, Meg. Tschüs.«
Mac war dran.
»Ich hab’ nicht danach gegrapscht. Ich hab’ danach gegriffen. Grüß dich, Meg. Von unserer Seite hast du schon alle Neuigkeiten gehört. Wie geht’s bei dir?«
Sie berichtete ihm, ihre Mutter sei wieder zu Hause.
»Morgen fahre ich nach Philadelphia wegen der Sendung, die ich zusammenstellen will.«
»Willst du dir auch diese Adresse in Chestnut Hill anschauen?«
»Ja. Mutter weiß nichts davon oder von den Briefen.«
»Von mir erfährt sie es bestimmt nicht. Wann kommst du zurück?«
»Wahrscheinlich nicht vor acht Uhr. Es sind fast vier Stunden Fahrt bis Philadelphia.«
»Meg.« Macs Ton wurde zögernd. »Ich weiß, daß du nicht willst, daß ich mich einmische, aber ich wünschte, du würdest mich helfen lassen. Ich habe manchmal das Gefühl, daß du mir ausweichst.«
»Sei doch nicht albern. Wir waren doch sonst auch immer gute Kumpel.«
»Ich weiß nicht, ob wir das noch sind. Vielleicht hab’
ich irgendwas nicht mitgekriegt. Was ist eigentlich passiert?«
Was passiert ist, dachte Meghan, ist, daß ich nicht an diesen Brief, in dem ich dich vor neun Jahren angebettelt habe, Ginger nicht zu heiraten, denken kann, ohne mich vor Scham zu winden. Was passiert ist, ist, daß ich immer nur dein kleiner Kumpel sein werde und es geschafft habe, Abstand von dir zu gewinnen. Ich kann es nicht riskieren, noch einmal durch einen Jeremy-MacIntyre-Entzug zu gehen.
»Nichts ist passiert, Mac«, sagte sie leichthin. »Du bist immer noch mein Kumpel. Ich kann’s nicht ändern, daß ich nicht mehr über Klavierstunden rede. Die hab’ ich vor Jahren aufgegeben.«
Als sie dann später am Abend ins Zimmer ihrer Mutter ging, um das Bett aufzudecken, stellte sie die Klingel des Telefons ab. Sollte es noch weitere nächtliche Anrufe geben, würde nur sie sie hören.
31
Dr. Henry Williams, der fünfundsechzigjährige Chef des Franklin Assisted Reproduction Center in der restaurierten Altstadt von Philadelphia, war ein Mann, der wie der ideale Lieblingsonkel aussah. Er hatte volles, halb ergrautes Haar, ein sanftes Gesicht, das selbst der nervösesten Patientin Mut einflößte. Sehr großgewachsen, hatte er eine leicht gebückte Haltung, die vermuten ließ, daß er sich aus Gewohnheit niederbeugte, um zuzuhören.
Meghan hatte ihn nach ihrem Treffen mit Tom Weicker angerufen, und er hatte bereitwillig einem Gesprächstermin zugestimmt. Jetzt saß Meghan ihm am Schreibtisch in der freundlichen Praxis gegenüber, die lauter gerahmte Bilder von Säuglingen und kleinen Kindern an den Wänden hatte.
»Sind das alles Kinder, die durch In-vitro-Befruchtung zustande gekommen sind?« fragte Meghan.
»Durch künstliche Fortpflanzung«, korrigierte Williams.
»Nicht alle sind In-vitro-Geburten.«
»Ich verstehe, oder jedenfalls glaube ich, daß ich’s verstehe. In-vitro bedeutet, daß die Eier aus den Eierstöcken entfernt und dann im Labor mit Sperma befruchtet werden.«
»Richtig. Sie wissen, daß die Frau Hormone zur Steigerung der Empfängnisfähigkeit bekommen hat, damit ihre Eierstöcke mehrere Eier auf einmal freisetzen?«
»Ja. Das verstehe ich.«
»Es gibt noch weitere Methoden, die wir durchführen, allesamt Variationen der In-vitro-Befruchtung. Ich schlage vor, daß ich Ihnen Material mitgebe, worin sie erklärt werden. Im wesentlichen läuft es auf eine Menge gewichtiger Fachausdrücke hinaus, die im Endeffekt alle bedeuten, daß einer Frau zu der ersehnten erfolgreichen Schwangerschaft verholfen wird.«
»Wären Sie mit einem Interview vor der Kamera einverstanden und damit, daß wir einiges über die Einrichtung hier aufnehmen und mit verschiedenen Ihrer Klienten sprechen?«
»Ja. Offen gestanden sind wir stolz auf unser Unternehmen, und positive Resonanz in den Medien ist uns willkommen. Ich hätte allerdings eine Bedingung. Ich werde mit mehreren unserer Klienten Kontakt aufnehmen und sie fragen, ob sie bereit sind, mit Ihnen zu sprechen.
Ich möchte nicht, daß Sie auf sie zugehen. Manche Leute ziehen es vor, ihre Verwandten nicht wissen zu lassen, daß sie mit diesen Methoden nachgeholfen haben.«
»Warum sollte jemand Einwände haben? Ich könnte mir vorstellen, daß die Leute einfach froh über ein neues Baby sind.«
»Das sind sie auch. Aber eine Frau hat erzählt, daß ihre Schwiegermutter, nachdem sie von den besonderen Umständen der Geburt
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