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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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wie blöd hältst du mich eigentlich?«
    Er legte den Hörer auf, mit einemmal unendlich abgespannt. Nach einer Weile griff er wieder danach und wählte.
    »Da drüben alles unter Kontrolle?« fragte er.

    Ihre schottischen Vorfahren nannten es das zweite Gesicht. Im Lauf von Generationen war diese Gabe immer wieder bei einer Frau aus dem Campbell-Clan aufgetaucht.
    Diesmal war es Fiona Campbell Black, die damit begnadet war. Als Hellseherin, die regelmäßig von Polizeirevieren im ganzen Land bei der Aufklärung von Verbrechen zu Hilfe gerufen wurde, und ebenso von Familien auf der verzweifelten Suche nach vermißten Angehörigen, betrachtete Fiona ihre außerordentlichen Fähigkeiten mit großem Respekt.
    Sie war seit zwanzig Jahren verheiratet und lebte in Litchfield, Connecticut, einer hübschen alten Siedlung aus dem frühen siebzehnten Jahrhundert.
    Am Donnerstag nachmittag kam Fionas Mann, Andrew Black, ein Anwalt mit einer Kanzlei am Ort, zum Essen nach Hause. Er traf sie im Frühstücksraum an, wo sie mit nachdenklichen Augen dasaß, die Morgenzeitung vor sich ausgebreitet, und den Kopf schräg hielt, als erwarte sie gleich eine Stimme oder irgendwelche Töne zu hören, die sie keinesfalls verpassen wollte.
    Andrew Black wußte, was das zu bedeuten hatte. Er zog seinen Mantel aus, warf ihn auf einen Stuhl und erklärte:
    »Ich richte uns was her.«
    Als er zehn Minuten später mit einem Teller Sandwiches und einer Kanne Tee wiederkam, blickte Fiona geistesabwesend auf. »Es ist passiert, als ich das hier gesehen habe.«
    Sie hielt die Lokalzeitung mit Edwin Collins’ Foto auf der Titelseite hoch. »Sie fahnden nach diesem Mann im Zusammenhang mit dem Tod von Helene Petrovic.«
    Black schenkte Tee ein. »Das hab’ ich gelesen.«
    »Andrew, ich möchte mich lieber raushalten, aber ich glaube, ich muß der Sache nachgehen. Ich bekomme eine Botschaft über ihn.«
    »Wie deutlich ist sie?«
    »Gar nicht deutlich. Ich brauche etwas zum Anfassen, was ihm gehört. Soll ich die Polizei von New Milford anrufen oder direkt zu seiner Familie gehen?«
    »Ich finde es besser, wenn du dich an die Polizei wendest.«
    »Ja, wahrscheinlich.« Langsam ließ Fiona ihre Fingerspitzen über die grobkörnige Abbildung von Edwin Collins’ Gesicht gleiten. »So viel Böses«, murmelte sie,
    »so viel Tod und Bosheit umgeben ihn.«

    32
    Bernies erste Tour am Donnerstag morgen ging vom Kennedy Airport aus. Er parkte den Chevy und schlenderte zu der Stelle hinüber, wo die Vorortbusse Passagiere aufnahmen und abluden. Bernie studierte den Fahrplan. Ein Bus nach Westport war fällig, und eine Gruppe von Menschen wartete darauf, darunter ein Paar in den Dreißigern mit zwei kleinen Kindern und einem Haufen Gepäck. Bernie nahm an, daß er bei ihnen gute Aussichten hatte.
    »Connecticut?« fragte er sie mit einem leutseligen Lächeln.
    »Wir nehmen kein Taxi«, schnauzte die Frau voller Ungeduld, während sie den Zweijährigen an der Hand packte.
    »Billy, bleib da«, schimpfte sie. »Du kannst hier nicht rumlaufen.«
    »Vierzig Dollar plus Straßengebühren«, sagte Bernie.
    »Ich hab’ einen Fahrgast in der Gegend von Westport, also ist alles, was ich bekomme, ein Zusatzgeschäft.«
    Der Mann versuchte ein ungebärdiges dreijähriges Kind im Zaum zu halten. »Einverstanden.« Er vergewisserte sich gar nicht erst mit einem Blick zu seiner Frau, ob sie auch einverstanden war.
    Bernie hatte seinen Wagen wieder durch die Waschanlage laufen lassen und innen gesaugt. Er sah, wie die Geringschätzung, die der Frau anfangs vom Gesicht abzulesen war, angesichts des sauberen Wageninneren in Wohlgefallen umschlug. Er fuhr umsichtig, nie über der Geschwindigkeitsbeschränkung und ohne raschen Spurwechsel. Der Mann saß vorne neben ihm. Die Frau war mit den neben ihr angeschnallten Kindern auf dem Rücksitz. Bernie machte sich in Gedanken eine Notiz, demnächst Kindersitze zu kaufen und im Kofferraum bereitzuhalten.
    Der Mann dirigierte Bernie an der Ausfahrt 17 vom Connecticut Turnpike hinunter. »Jetzt sind es nur noch knapp zweieinhalb Kilometer.« Als sie das hübsche Backsteinhaus an der Tuxedo Road erreichten, wurde Bernie mit zehn Dollar Trinkgeld belohnt.
    Er fuhr zum Connecticut Turnpike zurück, nach Süden zur Ausfahrt 15 und gelangte wieder einmal auf die Route 7. Es war, als könne er nicht verhindern, daß das Auto dahin fuhr, wo Meghan wohnte.
    Nimm dich in acht, sagte er sich. Selbst mit Kamera und Presseausweis könnte es

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