Das fremde Gesicht
uns etwas zu dem Baby sagen?«
»Der Säugling ist ein gesunder, prächtiger Junge von siebeneinviertel Pfund.«
»Aber er ist nicht der eineiige Zwillingsbruder des dreijährigen Anderson-Sohns?«
»Nein, das ist er nicht.«
»Ist er das biologische Kind von Dina Anderson?«
»Das können nur DNS-Analysen bestimmen.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Vier bis sechs Wochen.«
»Wie reagieren die Andersons darauf?«
»Sehr bestürzt. Sehr besorgt.«
»Dr. Manning war hier. Er ging nach oben, bevor wir mit ihm sprechen konnten. Hat er die Andersons getroffen?«
»Dazu kann ich nichts sagen.«
»Vielen Dank, Dr. Neitzer.« Meghan wandte sich der Kamera direkt zu. »Wir sind hier, um die weitere Entwicklung dieser Geschichte zu verfolgen. Zurück zu Ihnen ins Studio, Mike.«
»Mach’s aus, Kyle.«
Kyle drückte auf die Fernbedienung, und der Bildschirm wurde leer.
»Was bedeutet das?«
Das bedeutet große Probleme, dachte Mac. Wie viele weitere Irrtümer hatte Helene Petrovic in der Manning Clinic begangen? Welcher Art sie auch waren, man würde zweifellos Edwin Collins ganz genauso dafür verantwortlich machen. »Das ist ziemlich kompliziert, Kyle.«
»Stimmt mit Meg irgendwas nicht?«
Mac betrachtete das Gesicht seines Sohnes. Das sandfarbene Haar, das seinem eigenen so ähnelte und nie an Ort und Stelle blieb, fiel ihm in die Stirn. Die braunen Augen, die er von Ginger geerbt hatte, hatten ihr übliches fröhliches Funkeln verloren. Von der Augenfarbe abgesehen, war Kyle ein waschechter MacIntyre. Wie mußte es wohl sein, wenn man seinem Sohn ins Gesicht sah und sich klarmachte, daß er einem vielleicht gar nicht gehörte?
Er legte einen Arm um Kyle. »In letzter Zeit hat Meg es schwer gehabt. Deswegen sieht sie bekümmert aus.«
»Außer dir und Jake ist sie mein bester Kumpel«, sagte Kyle ernst.
Bei der Erwähnung seines Namens schlug Jake mit dem Schwanz.
Mac lächelte resigniert. »Meg wird bestimmt geschmeichelt sein, wenn sie das hört.« Nicht zum erstenmal in den letzten paar Tagen stellte er sich die Frage, ob er durch seine idiotische Blindheit für seine eigenen Gefühle Meg gegenüber in ihren Augen für immer in den Rang eines guten Freundes und Kameraden verbannt war.
Meghan und der Kameramann saßen in der Lobby des Danbury Medical Center. Steve schien zu wissen, daß Meg nicht nach reden zumute war. Weder Donald Anderson noch Dr. Manning war heruntergekommen.
»Schau mal da, Meg«, sagte Steve plötzlich, »ist das nicht der andere Anderson-Sohn?«
»Ja, stimmt. Das da neben ihm muß seine Großmutter sein.«
Sie sprangen beide auf, folgten ihnen durch die Halle und holten sie am Aufzug ein. Meg stellte das Mikrophon an. Steve fuhr die Kamera ab.
»Könnten Sie vielleicht einen Moment mit uns sprechen?«, fragte Meghan die Frau. »Sind Sie nicht Dina Andersons Mutter und Jonathans Großmutter?«
»Ja, das ist richtig.« Ihre wohlmodulierte Stimme klang gepeinigt. Silberfarbenes Haar umgab ein beunruhigtes Gesicht.
Ihr Gesichtsausdruck verriet Meghan, daß die Frau über die Lage informiert war.
»Haben Sie seit der Geburt des Babys schon mit Ihrer Tochter oder Ihrem Schwiegersohn geredet?«
»Mein Schwiegersohn hat mich angerufen. Bitte! Wir wollen jetzt nach oben. Meine Tochter braucht mich.« Sie trat in den Lift, wobei sie die Hand des kleinen Jungen fest umklammert hielt.
Meghan versuchte nicht, sie aufzuhalten.
Jonathan trug eine blaue Jacke, die dem Blau seiner Augen entsprach. Seine Wangen setzten einen rosigen Akzent auf seiner hellen Gesichtshaut. Seine Kapuze war unten, und Regentropfen saßen wie Perlen auf seinem weißblonden Haar, das im Stil von Buster Brown gekämmt war. Er lächelte und winkte. »Bye-bye«, rief er, während sich die Tür des Aufzugs zu schließen begann.
»Das ist vielleicht ein hübscher Junge«, bemerkte Steve.
»Er ist wunderschön«, pflichtete Meghan bei.
Sie kehrten zu ihren Sitzplätzen zurück. »Glaubst du, daß Manning ein Statement abgibt?« fragte Steve.
»Wenn ich Dr. Manning wäre, würde ich mit meinen Anwälten reden.« Und die Firma Collins and Carter wird auch ihre Anwälte nötig haben, dachte sie.
Meghans Piepser meldete sich. Sie zog ihr Mobiltelefon hervor, rief in der Nachrichtenredaktion an und erfuhr, Tom Weicker wolle mit ihr sprechen. »Wenn Tom am Samstag im Büro ist, dann ist etwas los«, murmelte sie.
Es war etwas los. Weicker kam sofort zur Sache. »Meg, Dennis Cimini ist auf dem Weg, Sie
Weitere Kostenlose Bücher