Das fremde Haus
Bestechungen, die er diesen Mitschülern anbot, sobald er wieder zu Sinnen gekommen war, damit sie ihren Eltern oder den Lehrern nicht verrieten, wer ihnen die Verletzungen zugefügt hatte.«
»Er hat allen Angst und Schrecken eingejagt, die in seinen Einflussbereich kamen«, sagte Nigel.
Barbara lächelte. »In seiner Abwesenheit haben wir ein psychologisches Profil von ihm erstellt, so wie die Polizei es mit Kriminellen tut. Damals ist es ihm voll und ganz gelungen, uns an der Nase herumzuführen. Ob nun bewusst oder nicht, er hat sich unser Ego zunutze gemacht. Nigel und ich waren glücklich und wohlhabend – wir hatten eine erfolgreiche Firma. Natürlich glaubten wir gern, dass unser Sohn ein gesegneter, ein goldener Junge war, der niemals einen Rückschlag erlitt, sich nie aufregte oder wütend wurde, der nie zugab, ein Problem zu haben.«
»Seine Darstellung war wasserdicht.« Das Bedauern in Nigels Stimme war mit Bewunderung durchsetzt, dachte Simon. »Er konnte es nicht ertragen, dass irgendjemand ihn als ganz normalen Menschen sah, der sich manchmal zum Narren machte, wie wir alle – ein Mensch mit Höhen und Tiefen. Kit musste den Eindruck erwecken, als stünde er über allem – stets Herr der Lage, immer glücklich …«
»Und das bedeutete, niemand durfte wissen, was ihm am Herzen lag oder dass er manchmal traurig und aufgeregt war, dass er gelegentlich auch scheiterte oder mal nicht der Beste in irgendwas war.« Barbaras hektische Art zu sprechen machte es schwer, ihr zuzuhören. Ihr Eifer ließ sie leicht gestört wirken. Sie schien es unerträglich zu finden, wenn ihr Mann an der Reihe war und sie sich gedulden musste. »Sein ganzes Leben lang hat Kit an seinem Image der Vollkommenheit gebastelt. Das ist der wahre Grund dafür, dass er uns nicht vergeben kann – damals, 2003, hat er für wenige Stunden die Maske fallen lassen. Wir haben ihn aufgewühlt und unglücklich gesehen, nachdem er etwas vermasselt hatte, was ihm wirklich wichtig war. Er konnte sich selbst nicht vergeben, dass er zugelassen hat, dass die Dinge an einen Punkt gelangten, an dem er zu uns kommen musste, um uns um Hilfe zu bitten. Es hatte nichts damit zu tun, dass wir ihm die fünfzigtausend nicht geben wollten.«
»Fünfzigtausend Pfund?«, fragte Simon. War es das, was Kit gemeint hatte, als er sagte, seine Eltern hätten ihn »nicht unterstützen« wollen?
Nigel nickte. »Er brauchte das Geld, weil er ein Haus kaufen wollte.«
»Ich habe das Exposé noch irgendwo rumliegen, glaube ich«, sagte Barbara. »Kit hatte es mitgebracht, um es uns zu zeigen. Als wir nicht mitmachten, verkündete er, er wolle das Exposé nicht mehr, nicht, wenn er das Haus nicht haben könne. ›Warum zerreißt ihr es nicht, oder verbrennt es‹?, sagte er. ›Das macht euch doch bestimmt Spaß.‹ Ich glaube, er dachte, wenn wir uns die Bilder ansehen und feststellen würden, wie toll das Haus war, würden wir ihm das Geld schon geben. Und es war auch wirklich ein tolles Haus, aber … den Betrag, den der Käufer zusätzlich verlangte, war es nicht wert. Und wir fanden es auch unfair den Leuten gegenüber, die bereits davon ausgingen, das Haus zu bekommen, wenn Kit und Connie ihnen urplötzlich den Teppich unter den Füßen wegziehen würden. Nur ein Scharlatan würde sich so verhalten.«
»Es war keine Art, diese Leute so zu behandeln, und es war keine Art, uns zu behandeln.« Nigel warf das herausfordernd hin wie einen Fehdehandschuh. Er bereitete sich darauf vor, die Auseinandersetzung noch einmal zu führen, als säße Kit ihm gegenüber und nicht Simon. »Connie und Kit hätten sich ohne Weiteres ein Haus in Cambridge leisten können, das mehr als adäquat für ihre Bedürfnisse war – es wird jede Menge Häuser gegeben haben, die sie hätten kaufen können. Warum wollten sie unbedingt dieses eine Haus haben, das praktisch bereits vergeben war?«
Weil Kit zu stolz war, Kompromisse zu machen, weil er so sehr an seinem Ideal festhielt?
»Kit hielt es nicht für nötig, uns diese Frage zu beantworten«, sagte Barbara. »Er tat so, als wäre es sein gottgegebenes Recht, dieses Haus zu besitzen, zu welchem Preis auch immer.«
»Der hatte vielleicht Nerven, erzählt uns, dass er fünfzigtausend Pfund darauf verschwenden will, etwas Unmoralisches zu tun, und erwartet von uns, die Rechnung zu übernehmen. Er hat noch nicht mal um ein Darlehen gebeten, das war es, was mich so gefuchst hat. Kein Wort davon, das Geld zurückzahlen zu wollen,
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