Das fremde Haus
er erwartete einfach von uns, dass wir es ihm gaben. Als wir ablehnten, wurde er richtig bösartig.«
Simon wollte Nigel fragen, was er mit der Bemerkung gemeint hatte, das Haus sei praktisch bereits verkauft gewesen, aber er wollte ihn nicht unterbrechen. Nach den Einzelheiten konnte er später fragen. »Inwiefern bösartig?«, fragte er stattdessen.
»Oh, es kam alles raus. Barbara und ich hätten keinen Geschmack – wir seien unfähig, den Unterschied zwischen etwas Schönem und etwas Minderwertigem zu erkennen, wir würden ein schönes Haus noch nicht mal erkennen, wenn wir davor ständen, wir begriffen nicht, wie wichtig Schönheit sei, wir würden Schönheit nicht mal erkennen, wenn sie uns ins Gesicht starrte. Oh, und Hässlichkeit würden wir auch nicht erkennen, und wir hätten es versäumt, die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Vermeidung zu ergreifen – wir hätten immer nur hässliche Häuser gekauft.« Nigel versucht unbekümmert zu klingen, als er die Liste der Beleidigungen seines Sohnes abspulte, aber Simon hörte an seinem Tonfall, wie verletzt er war.
»Und, klar, wir hatten Kit leiden lassen, weil er gezwungen war, mit uns in diesen hässlichen Häusern zu wohnen«, steuerte Barbara bei. »Wir seien wie Tiere, sagte er, wir würden nichts davon verstehen, das Höchste anzustreben und nur das Beste zu akzeptieren. Was wüssten wir schon? Wir hätten uns drei furchtbare, barbarische Städte hintereinander als Wohnort ausgesucht: erst Birmingham, dann Manchester, dann Bracknell – Städte, die alle vom Angesicht der Erde getilgt gehörten. Wie hätten wir ihn nur zwingen können, in diesen Städten zu leben? Wie könnten wir es ertragen, dort zu leben?«
»Von dem Moment an, als Kit einen Fuß nach Cambridge gesetzt hatte, war kein anderer Ort mehr gut genug«, sagte Nigel. » Wir waren nicht mehr gut genug.«
»Kit war so geschickt darin, seine Ansichten und Gefühle zu verbergen, dass wir keine Ahnung hatten, wie sehr wir in seiner Achtung gesunken waren – das merkten wir erst, als wir ihm das Geld nicht geben wollten, auf das er seiner Ansicht nach ein Anrecht hatte. Da wurde er wütend und warf uns vor, alles, was wir je getan hätten, sei falsch.«
»Die Liste unserer Verbrechen war endlos.« Nigel begann, sie an den Fingern abzuzählen. »Wir hätten nach Cambridge ziehen und unsere Firma dorthin verlegen sollen, als Kit dort sein Studium anfing – weil er dann nicht gezwungen gewesen wäre, in den Semesterferien von dort wegzugehen und nach Bracknell zurückzukehren …«
»… das er als ›Tod der Hoffnung‹ bezeichnete. Man stelle sich nur vor, so etwas über sein Elternhaus zu sagen!«
»Wir hätten ihm helfen müssen, als er nach dem Examen nur eine Stelle in Rawndesley finden konnte – wir hätten anbieten müssen, ihn finanziell zu unterstützen, damit er nicht umziehen musste, damit er Cambridge nicht verlassen musste.«
»Dabei hat er uns damals von seiner neuen Stelle in Rawndesley vorgeschwärmt und beteuert, wie sehr er sich auf den Tapetenwechsel freue!«
»Die übliche Taktik«, sagte Nigel. »So tun, als hätte man das, was passiert, die ganze Zeit gewollt, damit man als Gewinner dastehen kann.«
»Er war sehr überzeugend. Kit ist immer sehr überzeugend.« Barbara stand auf. »Möchten Sie mal sein altes Zimmer sehen?«, fragte sie Simon. »Ich habe dort nichts verändert – wie das Zimmer eines verstorbenen Kindes, alles genau so, wie es war.« Sie stieß ein bellendes Lachen aus.
»Warum sollte er Kits altes Zimmer sehen wollen?«, fuhr Nigel sie an. »Wir wissen ja nicht mal, was er eigentlich hier will. Es ist schließlich nicht so, als würde Kit vermisst und er suche nach Hinweisen.«
Simon, der aufgestanden war, wartete darauf, nach dem Grund seines Besuchs gefragt zu werden.
»Vielleicht wird Kit ja vermisst«, sagte Barbara zu ihrem Mann. »Wir wissen es nicht, oder? Vielleicht ist er auch tot. Wenn nicht, ist die Polizei aus irgendwelchen Gründen an ihm interessiert. Jeder, der Kit verstehen will, muss sein Zimmer gesehen haben.«
»Wenn er tot wäre, hätte man uns benachrichtigt«, meinte Nigel. »Das müssen sie machen. Oder?«
Simon nickte. »Ich würde gern sein Zimmer sehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, es mir zu zeigen«, sagte er.
»Je länger, je lieber«, rief Barbara in kokettem Ton. Sie streckte die Arme aus und lud eine nicht-existente Menschenmenge ein, sich ihnen anzuschließen. »Aber ich muss Sie warnen, ich bin etwas
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