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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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zu vermeiden? Oder war das eine Vorwarnung, und sie wird mich verhaften, nachdem ich den Imbiss verzehrt habe, den sie mir aufzwingt? Ich bin gar nicht auf den Gedanken gekommen, ihr zu verschweigen, dass ich die Schlüssel aus dem Becherregal in Selina Ganes Küche genommen habe. Wie kann Laskey sich dafür interessieren, nach allem, was ich ihr gerade erzählt habe?
    Weil sie dir das mit der toten Frau nicht glaubt und auch nie glauben wird. Wahrscheinlich glaubt sie auch nicht, dass du wirklich die Schlüssel gestohlen hast, sonst hätte sie dich längst verhaftet.
    Ich musste die Schlüssel an mich nehmen. Das musste ich doch, oder? Aber was ist, wenn ich mich irre und es gar nicht die Schlüssel von Selina Ganes amerikanischer Freundin sind? Was ist, wenn die Nummer auf dem Etikett gar nicht das bedeutet, was ich glaube? Vielleicht handelt es sich um eine ganz andere Straße. Bentley Grove stand nicht drauf, auch kein Name, nur die Hausnummer.
    Nein. Du irrst dich nicht.
    Als sie von ihrer amerikanischen Freundin sprach, wanderte Selina Ganes Blick zu diesem Becher. Es sind die Hausschlüssel einer Freundin – so muss es sein. Und nur die Hausnummer, kein Straßenname, das muss Bentley Grove bedeuten – das macht man nur, wenn man in derselben Straße wohnt.
    Und alle Häuser im Bentley Grove sind mehr oder weniger identisch. Die Wohnzimmer sind mehr oder weniger identisch …
    Plötzlich macht mich der Gedanke, noch länger hier zu sitzen, um mich herablassend behandeln und subtil bedrohen zu lassen, ganz krank. Diese Art Hilfe brauche ich nicht. Ich habe eine bessere Idee. Wenn ich das mache, brauche ich mich nicht bei Alison Laskey einzuschmeicheln.
    Ich schnappe mir meine Tasche, verlasse das Gebäude so rasch wie möglich und mache mich auf die Suche nach einer Telefonzelle. Als ich die Tasten drücke, frage ich mich, ob ich mich wohl immer an Kits Handynummer erinnern werde, auch in zehn oder zwanzig Jahren noch.
    Er meldet sich nach dem zweiten Klingeln. »Ich bin’s«, sage ich.
    »Connie.« Er scheint froh, von mir zu hören. Seine Stimme ist belegt, heiser. Hat er geweint? Früher hat er nie geweint. Vielleicht tut er es jetzt ständig, seit er den Bogen raushat. »Wo bist du?«
    »Wo ich jetzt bin, ist unerheblich. Wichtig ist, wo ich in zwanzig Minuten sein werde. Bentley Grove 11.«
    »Was willst du damit …«
    »Du weißt, was ich meine, oder, Kit?«, unterbreche ich ihn. »Bentley Grove 11. Nicht Selina Ganes Haus. Dein Bentley Grove 11. Dort werde ich sein.«
    Schweigen von Kits Seite.
    »Ich habe einen Schlüsselbund in der Hand«, teile ich ihm mit. »Ich betrachte ihn gerade.«
    Ich lege den Hörer auf, verlasse die Zelle und gerate in Panik, als mir nicht gleich einfallen will, wo ich mein Auto abgestellt habe. Doch, richtig, in dem Parkhochhaus neben dem Schwimmbad mit den Glaswänden und den röhrenähnlichen Wasserrutschen.
    Ich gehe so rasch ich kann, denn ich weiß, Kit, wo immer er auch gerade gewesen sein mag, als ich mit ihm sprach, wird jetzt zum Bentley Grove unterwegs sein. Jemandem wie Alison Laskey könnte ich nie erklären, woher ich das weiß, aber ich weiß es. Wann man so lange mit jemandem zusammen war wie ich mit Kit, kann man ziemlich oft vorhersagen, wie der andere reagieren wird.
    Ich muss vor ihm dort sein. Ich muss die Tür aufschließen, das Haus betreten und es mit eigenen Augen sehen, was immer es auch sein mag. Wie schlimm es auch sein mag.
    Und was willst du machen, wenn Kit auftaucht? Ihn umbringen? »Siehste! Ich hab’s dir doch gesagt!« rufen?
    Aber es scheint mir nicht wichtig zu sein, was als Nächstes geschehen wird. Es zählt nur das, was ich im Moment vorhabe. Ich werde versuchen, zu dem Haus zu gelangen, damit ich den Schlüssel ins Schloss stecken und ihn herumdrehen kann. Sehen, ob es der richtige Schlüssel ist. Das ist alles, was ich noch erreichen will, mir endlich selbst beweisen, dass ich weder verrückt noch paranoid bin. Über diese Erleichterung hinaus kann ich nicht denken.
    Jede Ampel steht auf Rot. Ein paar ignoriere ich und fahre einfach weiter. Bei anderen warte ich gehorsam. Es gibt kein System hinter meinen Handlungen, so schlecht bin ich noch nie gefahren, alle meine Entscheidungen sind rein willkürlich. Zusammenhanglose Gedanken blitzen in meinem Kopf auf: das blaurosa Sanduhr-Kleid, das Kit mir gekauft hat, Mutters Stickbild von Melrose Cottage an der Wand meines Schlafzimmers, Alison Laskeys wurmlippiges Lächeln, der Grundriss

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