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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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    »Man könnte eine Leiche in Gardinen wickeln«, sagte Simon mit monotoner Stimme. Er schien sich an einen Punkt hinter Charlies Schulter zu wenden. »Der Prof sagte, Jackie Napiers Auto sei mit Gardinen vollgeladen gewesen, in Plastik verpackte Gardinen – so viele, dass das Paar die Rücksitze herunterlassen musste. Man könnte eine Leiche in eine Gardine wickeln und das Ganze mit Plastik abdecken, ein luftundurchlässiges Paket daraus machen, damit die Nachbarn nichts riechen …« Simon drückte Tasten auf seinem Handy. Dieselbe Taste, drei hintereinander: die 9. Den Notruf. »Wir haben genug in der Hand«, sagte er. »Wir brauchen nicht mehr einzubrechen.« Ein paar Sekunden später hörten Charlie und Sam, wie er darum bat, zur Polizei durchgestellt zu werden.

25
    S AMSTAG , 24. J ULI 2010
    »Das kannst du immer noch tun«, sage ich so ruhig wie möglich zu Kit. »Mich zu retten ist nicht dasselbe wie mich umzubringen, das musst du doch einsehen.«
    Er steht hinter mir und drückt sein Gesicht gegen meinen Hinterkopf. Als er den Kopf schüttelt, kann ich es spüren. »Du verstehst überhaupt nichts. Gar nichts.«
    Das Messer unter meinem Kinn bewegt sich. Ich hebe den Kopf und versuche, den Hals einzuziehen.
    »Hör mir zu, Kit. Du hast doch immer gesagt, wie intelligent ich bin, erinnerst du dich?« Ich muss das tun: ich muss reden. Es darf kein Schweigen geben, keinen Raum zum Nachdenken. Zum Handeln.
    »Du bist nicht so intelligent wie Jackie«, sagt er knapp.
    Am liebsten würde ich ihn anschreien, dass ich sehr wohl klüger bin als Jackie, dass sie leblos in dem geronnenen Blut eines anderen Menschen liegt, während ich noch lebe.
    Ich war intelligent genug, einen Schlüssel, auf dem Nr. 12 stand, in einem Becher zu finden, auf den rote Federn gemalt waren, und mich an Pardoner Lane 17, Pardoner Lane 18 zu erinnern. Bentley Grove 11, Bentley Grove 12.
    Wenn ich nur klug genug gewesen wäre, mich von diesem Haus fernzuhalten – mich damit zufriedenzugeben, es zu wissen. Aber nein, ich musste es mir ja selbst beweisen.
    Wie kann Jackie Napier meinen Tod gewünscht haben? Sie kannte mich doch gar nicht.
    »Bitte hör zu«, entgegne ich ruhig. »Es gibt keinen Ausweg, das stimmt, aber es gäbe einen Weg hindurch . Wenn wir uns der Sache stellen, die Verantwortung auf uns nehmen …«
    Kit lacht. »Wusstest du, dass es keine Gefängnisse in Cambridge gibt? Ich habe gestern bei Google nachgesehen. Es gibt eins in March und eins in einem Ort, der Stradishall heißt, das ist in der Nähe von Newmarket. Die Postleitzahl ist CB8 – klingt nach Cambridge, ist aber nicht Cambridge.«
    Ich mache den Mund auf, aber es kommen keine Worte heraus. Die Antwort hatte ich nicht erwartet. Er hat recherchiert, ob es Gefängnisse in Cambridge gibt. Im Internet. Warum?
    »Wir waren Idioten – wir hätten unsere Zeit nicht mit den Dörfern in der Umgebung verschwenden sollen«, murmelt er. »Wir hätten uns an die Stadt halten sollen. Diese winzigen Kaffs – Horningsea, Harston –, das ist nicht Cambridge, das ist nicht die Zivilisation. Da könnte man ebenso gut in Little Holling versauern. Reach, Burwell, Chippenham – das ist so weit weg, da könnte man ebenso gut gleich nach Newmarket ziehen.«
    Meine Zähne klappern. Ist es draußen immer noch heiß? Das kann nicht sein, ich friere. Auch Kit fühlt sich kalt an. Wir lassen uns gegenseitig zu Eis erstarren.
    »Wir haben so viel Zeit verschwendet«, sagt er traurig. Er redet über 2003, über unsere Suche nach einem Haus.
    Vor sieben Jahren. Vergangen, vorbei. Es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft, und es hat keinen Sinn, über Vergangenes oder Zukünftiges zu reden. Es gibt nur das Jetzt, die Angst vor dem Sterben und die Stille, die um mich herum wächst, mich erstickt, sich ausbreitet wie Blut.
    Blut, das verschwand, als Kit es sich ansehen wollte.
    Ich hole scharf Luft. Das Wissen ist plötzlich da, bevor ich Zeit habe, es anzuzweifeln. Das Blut war nicht das Einzige, was verschwand.
    Ich versuche, die Angst beiseitezuschieben und meine Gedanken zu ordnen, aber ich kann nicht denken – ich kann nur noch das sehen, was ich nicht länger direkt vor Augen habe, es ist wie ein Film, der sich in meinem Kopf abspielt: Kit sitzt an meinem Schreibtisch und starrt auf den Laptop. Ich stehe hinter ihm, voller Angst, dass ich das schreckliche Bild gleich noch einmal sehen werde, obwohl er behauptet, dass da nichts ist. Nullis Eintragungsurkunde von der

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