Das fremde Haus
»Jackie ist ebenfalls eine enge Freundin von Elise – sie kam häufig zum Essen zu den Gilpatricks. Bei diesen Anlässen hat die Frau aus Nummer 17 sie kennengelernt. Deswegen wurde sie auch nicht misstrauisch, wenn sie sah, wie Jackie und ihr Freund unter der Woche nachmittags die Tür aufschlossen und das Haus betraten.«
Jackie Napier und Elise Gilpatrick. Eng befreundet. Charlie runzelte die Stirn. Jackie hatte Elise Gilpatrick 2003 das Objekt Pardoner Lane 18 verkauft. Waren sie damals schon Freundinnen gewesen? Mussten sie wohl. Niemand freundet sich mit der Maklerin an, die den Hauskauf abwickelt.
»Die Frau aus Nummer 17 machte denselben Fehler wie Basil Lambert-Wall«, sagte Simon. »Wenn man jemanden die Haustür aufschließen sieht, nimmt man an, dass die Person berechtigt ist, das Haus zu betreten. Eindringlinge haben keine Hausschlüssel. Sie tragen Strumpfmasken und haben Säcke mit der Aufschrift BEUTE in den behandschuhten Händen. Die Frau aus Nummer 17 kapierte es nicht mal, als Elise Gilpatrick ihr anvertraute, sie könne das irrationale Gefühl nicht abschütteln, dass das Haus irgendwie gar nicht richtig ihr gehöre. Sie fühle sich wie ein Eindringling oder eine Hausbesetzerin, sagte sie, obwohl sie und ihr Mann das Haus ehrlich erworben hatten. Sie hatte Albträume, in denen eine andere Familie auftauchte und sie aus dem Haus wies. Eines Tages brach sie in Tränen aus und gab zu, sie befürchte, dass es im Haus spuken könnte, obwohl sie wusste, dass das gar nicht sein konnte und sie nicht an Geister glaubte. Aber die Frau aus Nummer 17 hat immer noch keine Verbindung hergestellt.« Eine Mischung aus Ungläubigkeit und Geringschätzung verhärtete seine Stimme. »Sogar als sie mir das alles erzählte, stellte sie beides als unverbunden dar. Elise Gilpatricks Eindruck, ihr Haus wäre nicht wirklich ihrs, und die Tatsache, dass Jackie Napier mit ihrem Freund tagsüber das Haus betrat, wenn keiner von den Gilpatricks da war. Ich habe ihr das Foto von Kit Bowskill gezeigt, das Connie mir gegeben hat – sie hat bestätigt, dass das der Mann war, den sie meinte, wenn sie von Jackies Freund sprach.«
Sam sah aus, als würden ihm gleich die Augen aus dem Kopf fallen.
»In Pardoner Lane 18 spukte es nicht«, sagte Simon. »Jemand hatte es heimlich besetzt. Sie hatten Pech, die Gilpatricks. Das Haus, in das sie im März letzten Jahres gezogen sind, das Haus gegenüber von Basil Lambert-Wall – das wurde auch besetzt.«
»Tagmann und Tagfrau.« Charlie erinnerte sich an die dürftigen Informationen, die Simon per Telefon an Sam weitergegeben hatte, während sie fuhr. »Das waren sie auch – Kit Bowskill und Jackie Napier.«
Simon nickte. »Obwohl Jackie dem Professor erzählt hat, ihr Name sei Connie, eine Abkürzung von Catriona. Ich habe erst überlegt, ob Connie die Tagfrau sein könnte, aber das konnte nicht sein. Am Dienstag, den 29. Juni, als Tagfrau sich bei Basil Lambert-Wall für die Unhöflichkeit von Tagmann entschuldigte, war Connie Bowskill den ganzen Tag im Geschäft ihrer Eltern in Silsford – ich habe es überprüft.«
»Jackie hat seine Frau gespielt«, sagte Sam. »Den Teil begreife ich, aber nicht das mit den Gilpatricks.« Er blickte auf und sah Simon an. »Warum wollen Bowskill und Jackie während deren Abwesenheit unbedingt im Haus der Gilpatricks miteinander schlafen – in zwei Häusern hintereinander? Ist das irgendeine sexuelle Obsession, oder wie?«
»Simon.« Der Atem stockte Charlie in der Kehle, die schrecklich trocken war. »Scheiße. Ich glaube, mir ist gerade etwas …«
»Was ist? Was ist?« Simon wollte immer alles sofort wissen, bevor sie eine Chance hatte, ihre Gedanken zu ordnen.
»Das Haus gegenüber dem Haus des Professors – welche Hausnummer hat es?«
Er runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern.
»Es ist Nummer 12, oder?«
»Das ist merkwürdig. Kurz bevor du das sagtest, dachte ich ›12‹. Muss wohl so sein. Ich erinnere mich vage, die Nummer an der Haustür gesehen zu haben.«
»Ich glaube, Alice hat falsch verstanden, was Connie Bowskill ihr erzählt hat.« Charlie stolperte fast über ihre eigenen Worte in dem Bemühen, sie so schnell wie möglich herauszubringen. »Über Kits Scherznamen für Pardoner Lane 18. Ich glaube, der Witz bestand darin, das Haus Pardoner Lane 17 zu nennen, obwohl die Adresse Pardoner Lane 18 lautete. Nicht die Verdoppelung machte es so witzig – Pardoner Lane 17, Pardoner Lane 17, Cambridge –,
Weitere Kostenlose Bücher