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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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hast meinen Rundgang geschlossen und dein Webvideo auf dem Desktop angeklickt.« Ich fühle mich wie ausgehöhlt. »Du hast mir zugerufen, du würdest dir das Wohnzimmer ansehen und es wäre keine tote Frau da.«
    »Hör auf«, sagt Kit. Eine hohle Müdigkeit hat sich in seine Stimme geschlichen. »Nichts von alledem ist meine Schuld«, sagt er. »Oder deine, oder Jackies.«
    Wenn ich versuchen würde, mich loszureißen, hätte ich eine Chance? Nein. Noch nicht. Kit hält mich immer noch fest umschlungen. Später vielleicht, wenn er die Position noch länger gehalten hat und seine Muskeln schmerzen. Wenn ich es jetzt versuche und scheitere, bekomme ich vielleicht keine zweite Chance – möglich, dass er dann beschließt, die Sache zu beschleunigen.
    Wie lange war er mit Jackie hier, bevor er sie umgebracht hat?
    »Warum der ursprüngliche Rundgang auf dem Desktop? Warum nicht einfach Jackie eine SMS schicken und ihr sagen, dass sie die Änderung rückgängig machen soll?« Ich stelle mir selbst diese Frage, nicht Kit. Ich frage den Menschen, dem ich vertraue. Als die Antwort sich einstellt, habe ich das Gefühl, ich hätte gemogelt und es müsse die falsche Antwort sein. Wie kann es sein, dass ich es weiß, wenn ich es vorher nicht wusste?
    Ich höre die Stimme von Alice in meinem Kopf: Normalerweise kommt das, was wir suchen, zu uns. Die Frage ist nur, wie lange es dauert, bis es uns erreicht.
    »Du hast Jackie eine SMS geschickt«, sage ich. »Du hast mich schreien hören, oder du hast Glas splittern hören, als ich Nullis Eintragungsurkunde von der Wand riss – jedenfalls war dir klar, ich hatte gesehen, was ich sehen sollte. Und dann hast du ihr eine SMS geschickt. Aber du konntest dich nicht darauf verlassen, dass sie es schaffen würde, den ursprünglichen Rundgang schnell genug wieder zu installieren, oder? Und du konntest nicht riskieren, dass ich die Leiche der Frau mehr als einmal zu sehen bekam.«
    »Hör auf, Con.«
    Ich erkenne eine flehentliche Bitte, wenn ich eine höre. Aber Kit muss nicht bitten. Er ist derjenige, der hier die Macht hat, er hat das Messer. Ich ignoriere ihn. »Wenn ich es mehr als einmal gesehen hätte, wäre es nicht mehr so einfach gewesen, alle glauben zu machen, dass ich es mir nur eingebildet hatte: eine optische Täuschung, die im Bruchteil einer Sekunde wieder verschwindet. Das wolltest du alle denken machen – die Polizei, meine Familie, Alice. Du wolltest mir das Gefühl vermitteln, dass die ganze Welt gegen mich ist, dass niemand mir glaubt … Aber …« Ich halte inne, als mir der Denkfehler aufgeht, den ich gerade begehe. »Jackie. Sie ist zur Polizei gegangen. Sie hat behauptet, sie hätte es ebenfalls gesehen. Nur deshalb hat Ian Grint meine Geschichte ernst genommen.« Das ergibt doch keinen Sinn. Wenn Kit und Jackie wollten, dass keiner mir glaubt …
    »Hör auf!«, brüllt Kit, der seine Energie wiedergefunden hat. Er zieht mich mit sich. Als er mich zur Treppe zerrt, versuche ich, so viel Lärm zu machen, dass es ihn lähmt, aber der Schrecken stiehlt mir die Stimme, und alles, was übrig bleibt, ist ein leises, lang gezogenes Stöhnen. Habe ich etwa geglaubt, ich könnte ihn ewig in Schach halten? Ich könnte die Zeit zum Stillstand bringen, wenn ich nur weiterredete? Ich strecke die Hand aus und schließe die Finger um die Spitze des ersten Treppenpfostens, um den weißen Todesknopf, aber Kit reißt mich los und zerrt mich grob die Treppe hinauf, eine Stufe nach der anderen. Meine Arme und Beine fühlen sich schlaff und unkoordiniert an, wie bei einer Lumpenpuppe.
    Hat er einen Plan für seine nächsten Schritte, oder hat er schon lange keinen Plan mehr? Wird er es in einem der Schlafzimmer tun? Eine bittere Flüssigkeit steigt mir in die Kehle. Ich habe nicht die Kraft, sie hinunterzuschlucken, ich kann kaum atmen.
    Oben im Flur wird der schlechte Geruch stärker. Kit gerät in Panik. Ich kann es spüren, wie elektrische Ladungen, die über seinen Körper laufen. Er will nicht hier oben sein. Er kann nicht stillhalten, ständig stößt die Messerklinge gegen mein Gesicht, und ich muss den Kopf zur Seite reißen. Kit murmelt ununterbrochen Entschuldigungen. Entschuldige, entschuldige, entschuldige . Ich habe zu große Angst, etwas zu sagen, ihm mitzuteilen, dass keine Entschuldigung je genug sein wird. »Es ist nicht deine Schuld, nichts von alledem«, sagt er. »Ich werde dir zeigen, wessen Schuld es ist.«
    Er bewegt sich, und damit mich, auf die einzige

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