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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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Cambridge zu leben, hätte er nach Beendigung des Studiums hierbleiben können. Aber dann hätte er möglicherweise irgendeinen Job annehmen und eine Weile in einem Loch hausen müssen, und das wird für Bowskill keine Option gewesen sein. Das wäre ein zu großer Abstieg für ihn gewesen, schließlich hat er drei Jahre lang zur Elite der Stadt gehört – war in einem historischen Collegegebäude untergebracht, studierte an einer der besten Universitäten der Welt. Während des Studiums wird er allerdings auch nicht glücklich gewesen sein. Ich nehme an, er konnte sich nicht genug entspannen, um es zu genießen, denn er wusste, dass es nur für eine begrenzte Zeit war.«
    Charlie schüttelte den Kopf. »Ich verstehe immer noch nicht, wieso es ihn seinem Ziel näherbringen sollte, einen Job in Rawndesley anzunehmen –«
    »Ich schon«, unterbrach Simon sie. »Ich kann mir denken, was seine Strategie war. Er wollte eine Stelle in einem angesehenen Unternehmen finden, einer Firma mit guten Aufstiegsmöglichkeiten und Niederlassungen im ganzen Land – insbesondere mit einer Niederlassung in Cambridge –, und auf die Chance warten, dorthin versetzt zu werden. Bis dahin musste er vielleicht in Rawndesley wohnen, aber er hat einen Plan, wie er dorthin zurückkehren kann, wo er leben möchte. Und er kann anfangen, sich die Karriereleiter hinaufzuarbeiten, damit er sich, wenn die Versetzung nach Cambridge gelingt, dort ein anständiges Haus leisten kann. Solange er in Rawndesley lebt, kann er leicht akzeptieren, dass er Kompromisse eingehen muss – Rawndesley ist ein Ort für Kompromisse. Aber in Cambridge Kompromisse einzugehen, dazu war er nicht bereit. Denn in seinen Augen steht Cambridge für Vollkommenheit, und er ist nur bereit, dorthinzuziehen, wenn die Bedingungen perfekt sind. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass das je eingetreten wäre, hätte er feststellen müssen, dass er sich schlechter fühle als je zuvor – großer Schock! Der Tag, an dem Kit Bowskill gezwungen wäre zuzugeben, dass kein Detail seines Lebens sich noch verbessern ließe, wäre ein gefährlicher Tag für ihn. Denn dann müsste er sich eingestehen, dass das Problem in ihm selbst liegt – dass er selbst das Detail ist, das noch verbessert werden muss. An dem Punkt würde er wahrscheinlich einen Zusammenbruch erleiden.«
    »Also … bevor er sich bei Deloitte Rawndesley beworben hatte, hatte er sich auch bei Deloitte Cambridge beworben?«, fragte Charlie.
    »Ja – und bei allen anderen Unternehmen, die er seiner für würdig erachtete«, erwiderte Simon. »Wahrscheinlich wäre er mit einem niedrigen Anfangsgehalt und einer winzigen Wohnung zurechtgekommen, wenn er einen Job gehabt hätte, auf den er stolz war, und er einen klaren Weg zur Spitze vor sich sah. Aber entweder gab es keine freien Stellen, oder er wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen, aber man hat sich für einen anderen Bewerber entschieden –, wie auch immer, Deloitte Rawndesley war die beste Alternative, die er finden konnte. Möglich, dass er sich eine Frist gesetzt hatte. Zwei Jahre, oder fünf, dann musste es mit der Versetzung nach Cambridge geklappt haben.«
    »Na, das ist ja ziemlich eindeutig fehlgeschlagen«, bemerkte Charlie.
    »Nein. Du verstehst immer noch nicht, wie der Mann tickt. Jemand wie Bowskill versagt nie. Er ist immer gerade dabei, seinen Plan zu verwirklichen. Erfolg und der Sieg liegen stets direkt hinter der nächsten Ecke.«
    Charlie schnitt Simons Kopfstütze eine Grimasse. Wenn sie nicht vollkommen vertraut mit jeder Nuance von Kit Bowskills dysfunktionaler Psyche war, dann vielleicht deshalb, weil sie dem Mann nie begegnet war. Simon hatte ihn zwar auch nur ein Mal getroffen, schien aber trotzdem ein Experte für die typisch Bowskillsche unstillbare Unzufriedenheit zu sein. Charlie fragte sich, ob sie sich deshalb Sorgen machen sollte.
    »Wie auch immer Bowskills Pläne aussahen, sie änderten sich, als er Connie kennenlernte«, sagte Simon. »Von der Sekunde an wäre es ihm als schreckliches Versagen erschienen, ohne Connie nach Cambridge zu ziehen.«
    »Du willst damit sagen, dass er sich in sie verliebte?« Charlie genoss den Versuch, Simon dazu zu bringen, das Wort »Liebe« auszusprechen.
    Er vermied es geschickt. »Ich bezweifle, dass er zu normalen Gefühlen fähig ist«, sagte er. »Alles, was er empfindet, setzt sich in Habenwollen um. Er wird sich entschieden haben, Connie ebenso sehr zu wollen, wie er Cambridge wollte, aber sie

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