Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
Vom Netzwerk:
könne. Er hätte ihr irgendein Hotel in Torquay nennen können, eines, das wirklich existierte oder ein erfundenes. Aber er wusste nur zu gut, dass sie in jeden Fall versuchen würde, ihn anzurufen, und dann würde sie auch entdecken, dass er gelogen hatte. Also war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich zu weigern, es ihr zu sagen. »Es wird keinen Notfall geben«, hatte er entschieden erklärt. »Und wenn doch, wird er eben warten müssen.«
    Kathleen hatte geschmollt, geweint, gebettelt. Irgendwann, nach einem der verkochten Sonntagsessen, die ihr Markenzeichen waren, war sie sogar auf die Knie gefallen und hatte Simons Beine umschlungen. Er hatte sie von sich abschälen müssen. Charlie war schockiert gewesen, nicht nur von dem Vorfall an sich, sondern mindestens ebenso sehr darüber, dass Simon das alles offenkundig nicht überrascht hatte. Michael, sein Vater, hatte ebenfalls wenig überrascht gewirkt. Sein einziger verbaler Beitrag war ein gelegentliches gemurmeltes »Bitte, mein Sohn« gewesen. Bitte, mein Sohn, sag ihr, wie sie dich erreichen kann. Mach mir das Leben einfacher.
    Zu Charlies großer Erleichterung war Simon fest geblieben. Allerdings hatte er zu ihrer maßlosen Überraschung eine Einladung zum Essen im Haus seiner Eltern für den folgenden Sonntag angenommen. »Bist du verrückt?«, hatte sie ihn später angefahren. »Der Auftritt wird sich wiederholen – es wird wieder genau das passieren, was letzte Woche passiert ist.« Simon hatte mit den Achseln gezuckt und entgegnet: »Dann werde ich eben einfach weggehen.«
    Er gefiel sich in dem Glauben, dass seine Mutter ihn nicht beherrschte. Aber dann machte er solche Sachen wie darauf zu bestehen, dass sie ganz bis nach Torquay fuhren, um zu heiraten – »um die Lüge ein bisschen wahrer zu machen«, wie er sagte. Er war nicht bereit, sich die Irrationalität seines Verhaltens einzugestehen. Charlie hätte es vorgezogen, in Spilling auf dem Standesamt zu heiraten. Der Gedanke, dass irgendetwas an ihrer Hochzeit von ihrer erbarmungswürdigen Schwiegermutter diktiert wurde, war ihr verhasst. Simon hatte sie niedergebrüllt: »Ich dachte, du liebst Torquay. Tun wir nicht deshalb so, als würden wir unsere Flitterwochen dort verbringen?«
    Seltsamerweise hatte Kathleen nicht versucht, ihnen eine kirchliche Trauung aufzuzwingen, wie Charlie befürchtet hatte. Sie hatte keine Einwände erhoben, als Simon ihr mitteilte, nur er, Charlie und zwei Trauzeugen würden an der Hochzeit teilnehmen. »Sie ist erleichtert«, hatte er erklärt. »Es wird nichts von ihr erwartet. Überleg doch mal: bei den meisten Hochzeiten bringt die Mutter des Bräutigams den größten Teil des Tages damit zu, freundlich zu sein und die anderen Gäste zu begrüßen. Meine Mutter hätte das nie geschafft. Sie wäre plötzlich krank geworden, und mein Vater hätte zu Hause bleiben und sich um sie kümmern müssen.«
    Charlies Eltern hatten ebenfalls mit Dankbarkeit zur Kenntnis genommen, dass ihre Anwesenheit nicht erforderlich sein würde. Ihr Vater war passionierter Golfspieler. Er hätte sich den Tag freigenommen, um Charlies willen, und versucht, ihre Hochzeit zu genießen, aber zweifellos bald irgendeinen Anlass gefunden, in üble Laune zu verfallen. Jeder Tag ohne Golfspiel war ein katastrophaler Tag für Howard Zailer – und für alle Leute, die das Pech hatten, ihm in diesem golflosen Zustand zu begegnen.
    »Wie wär’s mit Melville?«, rief Simon vom Pool herüber.
    »Hm?«
    »Als neuer Nachname.«
    »Warum Melville?«
    »Nach Herman Melville.«
    »Wie wär’s mit Dick?«
    Simon hielt zwei Finger hoch. Moby Dick war sein Lieblingsroman, den er einmal im Jahr las. Er hatte das Buch mit nach Spanien genommen. Es sollte seine Flitterwochen-Lektüre werden, also warum las er nicht? Warum war er damit zufrieden, sich ziellos treiben zu lassen, als gäbe es sonst nichts, das er gern tun wollte? Sogar die Blätter und Blüten, die auf der Wasseroberfläche schwammen, machten den Eindruck, sich mehr anzustrengen.
    Warum hatte er keinen Sex mit seiner Frau?
    Sollte man nicht eigentlich den Großteil der Flitterwochen im Bett verbringen? Oder war das nur so, wenn man vor der Hochzeit nicht miteinander geschlafen hatte?
    Charlie seufzte. Erwartete sie zu viel? Nachdem Simon jahrelang jeden körperlichen Kontakt mit ihr vermieden hatte, war im letztes Jahr die Entscheidung in ihm gereift, dass es an der Zeit sei, die Beziehung endlich zu vollziehen. Seitdem war alles gut.

Weitere Kostenlose Bücher