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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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betreten, als ich sie vor mir hergehen sah. Es war Selina, eindeutig. Am Morgen hatte ich mein Auto am Sackgassenende des Bentley Grove abgestellt und beobachtet, wie sie das Haus verließ, und sie trug noch dieselben Sachen: grüne Jeansjacke, schwarze Hose, hochhackige Stiefel. Sie war es, und sie hatte mich nicht gesehen. Dabei war ich mir so sicher gewesen, dass sie zum Krankenhaus gefahren war und dort den ganzen Tag verbringen würde. Irrationalerweise war ich verärgert.
    Ich folgte ihr über die King’s Parade und auf die Trinity Street. Als sie eine Boutique betrat, lungerte ich draußen herum. Sie blieb eine Ewigkeit in dem Geschäft, so lange, dass ich schon anfing, mich besorgt zu fragen, ob meine Augen mich getäuscht hatten. Vielleicht hatte ich sie verloren, vielleicht stand ich vor dem falschen Laden, während sie längst zu einem anderen Ziel eilte.
    Nachdem ich fast eine Stunde gewartet hatte, war ich so frustriert, dass ich etwas unglaublich Dämliches tat – ich kann immer noch kaum glauben, dass ich tatsächlich so blöd gewesen war. Ich betrat das Geschäft. Ich war mir so sicher gewesen, sie nicht mehr anzutreffen, aber sie war dort. Sie und die Frau hinter dem Ladentisch starrten mich mit einem zornigen, triumphierenden Ausdruck in den Augen an. Ich wusste, ohne dass mir jemand etwas zu sagen brauchte, dass sie Freundinnen waren. »Was soll das?«, fragte Selina Gane scharf. »Wer sind Sie, und warum verfolgen Sie mich? Versuchen Sie nicht, es zu leugnen, sonst rufe ich die Polizei.«
    Meine Beine hätten fast nachgegeben. Ich starrte sie wild an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Mir fiel auf, dass sie keinen Ehering trug, was zwar nichts bedeutete, mich aber irgendwie tröstete.
    »Verschließ die Tür«, befahl sie ihrer Freundin. Und fügte zu mir gewandt hinzu: »Ich werde schon eine Antwort aus Ihnen herausbekommen – egal wie.«
    Bevor die Freundin hinter dem Ladentisch hervorkommen konnte, lief ich zur Tür, und dann war ich draußen und rannte die Trinity Street hinunter wie ein gehetztes Tier, das um sein Leben rennt. Ich lief kilometerweit, jedenfalls kam es mir so vor. Als ich mich endlich traute stehenzubleiben und mich umdrehte, sah ich, dass niemand da war, jedenfalls niemand, der irgendein Interesse an mir hatte, und brach vor Erleichterung in Tränen aus. Ich war noch mal davongekommen. Sie hatte nicht erfahren, wer ich war. Erst am nächsten Tag kam mir der Gedanke, dass ich auch ganz ruhig hätte sagen können: »Ich bin Connie Bowskill. Die Frau von Kit Bowskill.« Wie hätte sie wohl darauf reagiert? Mit völligem Unverständnis oder geschockt? Kannte sie Kit? Wusste sie, dass er verheiratet war?
    Wie sie hieß, erfuhr ich an jenem Tag ebenfalls nicht. Das erfuhr ich erst heute Morgen, als Sam Kombothekra ihren Namen erwähnte.
    »Connie?«
    »Mm?«
    »Haben Sie das alles Simon Waterhouse erzählt?«
    »Ja«, sage ich. »Ich habe ihm alles erzählt, was ich Ihnen erzählt habe.«
    »Und was hat er gesagt?«, will Sam wissen.

10
    19. 07. 2010
    »Ich habe sie gefragt, ob es denkbar sei, dass sie selbst die Adresse in das Navi ihres Mannes eingegeben hat«, sagte Simon zu Charlie. Sie saßen an dem großen Holztisch am Swimmingpool – Simon unter einem Sonnenschirm und Charlie in der prallen Sonne. Sie wusste selbst, dass das schädlich war, aber sie liebte es, wenn die Sonnenstrahlen sich in ihre Haut brannten und es war, als würde sich ihr Gehirn auflösen, bis ihr schließlich keine Wahl mehr blieb, und sie sich in den Pool stürzen musste.
    An der Essensfront geschah das Undenkbare: Simon schälte die Garnelen und reichte sie ihr, eine nach der anderen. So ein schlechtes Gewissen hatte sie ihm gemacht. Charlie hatte gar keinen Hunger mehr, aber sie wollte, dass er weiter Garnelen für sie pulte. Ihm schien es weiter nichts auszumachen, was sie leicht irritierte, aber schließlich hatte er erst acht Stück geschafft, und sie konnte leicht fünfzig Garnelen bewältigen, selbst wenn ihr danach schlecht wurde. Sie war zuversichtlich, dass er noch toben und fluchen würde, bevor sie bereit war, ihn vom Haken zu lassen.
    »Warum sollte sie die Adresse selbst eingeben und dann ihren Mann beschuldigen, es getan zu haben?«, fragte sie.
    »Weil sie ehrlich glaubt, dass er es war. Wenn sie jede Erinnerung daran ausgelöscht hat, dass sie selbst es gewesen ist und dann die Adresse in seinem Navi findet – tja, dann muss er es gewesen sein, oder? Und sie will wissen

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