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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Edmund stimmten darin überein, daß der rechte Fuß wahrscheinlich einigermaßen wiederhergestellt werden konnte, und selbst der linke mochte später ein wenig Hilfe bieten, wenn man bei der Anfertigung des Schuhwerks für den Invaliden etwas erfinderisch vorging.
    Aus diesem Grund rief Cadfael am Ende des Monats den jungen Philip Corviser, den Sohn des Stadtvorstehers, ins Kloster. Sie steckten die Köpfe zusammen und berieten über das Problem. Zu zweit machten sie ein Paar Stiefel, die so unglücklich aussahen wie die Füße, für die sie gedacht waren, die aber darauf zugeschnitten waren, den Behinderten so gut wie möglich zu stützen. Sie bestanden aus dickem Fell und hatten eine Ledersohle, die bis über die Fußgelenke hinaufgezogen war. Gesichert wurden sie mit Lederzungen, die zusätzlich die beschädigten Gliedmaßen stützen und die unverletzten Schienbeine ins Stützwerk einbezogen. Philip war mit seiner Arbeit recht zufrieden, doch er hielt sich zurück, solange die Stiefel nicht anprobiert waren und solange nicht sicher war, ob der Verletzte sie ohne Schmerzen tragen konnte und im Winterwetter warme Füße hatte.
    Alles, was man für ihn tat, nahm Bruder Haluin dankbar und demütig an, während er unermüdlich daran arbeitete, Auge und Hand mit seinem Rot, seinem Blau und dem zierlich gemalten Blattgold zu üben. Doch in jeder freien Stunde hob er sich umständlich von seiner Eckbank, stützte sich auf die Krücken und hielt sich zusätzlich an der Wand oder einer Bank fest, wenn sein Gleichgewicht in Gefahr war. Es dauerte eine Zeit, bis die Sehnen in seinen zerstörten Beinen wieder zu Kräften kamen, doch Anfang Februar konnte er endlich den rechten Fuß fest auf den Boden setzen und für kurze Zeit sogar ohne weitere Hilfe allein auf diesem Fuß stehen. Von diesem Zeitpunkt an begann er, ernsthaft die Krücken zu benutzen. Er lernte, mit ihnen umzugehen, er ließ sich, pflichtbewußt und pünktlich, wieder an seinem Platz im Kapitel sehen und saß in jedem Gottesdienst im Chorgestühl. Ende Februar konnte er sogar die Spitze seines linken Stiefels auf den Boden setzen, der ihm half, stabil und sicher auf den Krücken zu stehen, auch wenn dieser Fuß nie wieder sein Gewicht allein würde tragen können.
    In einem Punkt hatte er noch Glück gehabt: Seit der erste frühe Schneefall getaut war, blieb das Wetter mild. Gelegentlich gab es etwas Frost, der sich aber nie lange hielt, und die wenigen Schneefälle, die jetzt noch kamen, waren nicht heftig, und der Schnee blieb nicht lange liegen. Als er sich seines Gleichgewichts sicher war und sich an die neue Gangart gewöhnt hatte, konnte er auch draußen auf dem Hof üben. Er lernte schnell und hatte nur Angst vor den Pflastersteinen im Hof, wenn sie mit Reif überzogen waren.
    Eines Tages, es war Anfang März, die Tage wurden schon länger, und die erste, zögernde Ahnung des Frühlings lag in der Luft, erhob sich Bruder Haluin im Kapitel, als die wichtigsten Angelegenheiten des Tages geregelt waren, und sprach mit schwacher Stimme aber voller Entschlossenheit eine Bitte aus, die Abt Radulfus und Bruder Cadfael gut verstehen konnten.
    »Vater«, sagte er, die dunklen Augen beständig aufs Gesicht des Abtes gerichtet, »Ihr wißt, daß ich, elend und krank, den Wunsch äußerte, eine gewisse Pilgerschaft zu unternehmen, falls ich durch Gottes Gnade je dazu imstande wäre. Gott war wirklich sehr gnädig zu mir, und wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt, möchte ich nun mein Versprechen vor Gott bekräftigen.
    Ich bitte um Eure Erlaubnis und um die Gebete meiner Brüder, damit ich erfülle, was ich versprochen habe und in Frieden heimkehre.«
    Radulfus sah den Bittsteller ungewöhnlich lange schweigend an. Sein Gesicht verriet weder Zustimmung noch Mißbilligung, doch der prüfende Blick ließ Bruder Haluin das Blut in die Wangen schießen.
    »Kommt nach dem Kapitel zu mir«, sagte der Abt schließlich.
    »Ich will von Euch hören, was Ihr beabsichtigt, und dann entscheiden, ob Ihr schon dafür bereit seid.«
    Im Sprechzimmer des Abtes wiederholte Haluin seine Bitte mit deutlicheren Worten, denn vor diesen beiden Männern war sein Geist nackt, sie wußten um seinen Kummer. Cadfael dagegen wußte, warum er als stummer Zeuge dazugerufen worden war. Zwei Gründe gab es offensichtlich: Er war der einzige weitere Zeuge für Haluins Beichte und durfte deshalb zu Rate gezogen werden, und er konnte etwas über Haluins körperliche Verfassung sagen und erklären, ob

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