Das Fremde Mädchen
Staffordshire. Warum? Was habt Ihr mit de Clary zu tun?«
»Haluin hat mit ihnen zu tun. Er war in ihren Diensten, bevor er die Kutte anlegte. Er glaubt, er müsse ihnen eine alte Schuld zurückzahlen. Es fiel ihm ein, als er die Beichte vor seinem vermeintlichen Tod ablegte. Er glaubt, er habe sich vergangen, und das belastet heute noch sein Gewissen.«
Die Beichte war heilig, und mehr konnte er selbst Hugh nicht erzählen. Doch wenn freiwillig nicht mehr angeboten wurde, würde Hugh auch nicht nachfragen, auch wenn er insgeheim über das spekulierte, was nicht ausgesprochen worden war.
»Er ist entschlossen, sobald er körperlich dazu in der Lage ist, die Reise zu unternehmen und die Schuld zu begleichen.
Ich frage mich nun... wenn Bertrands Witwe auch nicht mehr unter den Lebenden ist, dann sollte Haluin sofort davon erfahren, damit er es sich aus dem Kopf schlägt.«
Hugh beäugte seinen Freund interessiert und mit nachsichtigern Lächeln. »Und Ihr wollt dafür sorgen, daß er sich keine Sorgen mehr macht, sondern so bald und so gut wie möglich sein altes Leben wieder aufnimmt. Ich kann Euch leider nicht helfen, Cadfael. Die Witwe ist noch am Leben, sie ist sogar in Hales. Am letzten Michaelstag erst hat sie ihre Steuern bezahlt. Ihr Sohn ist mit einer Frau aus Staffordshire verheiratet, es gibt noch einen jüngeren Sohn, und nach allem, was man hört, ist seine Mutter nicht von der Art, die mit einer anderen Frau unter einem Dach lebt, ohne sich einzumischen.
Sie lebt am liebsten in Hales, regiert mit strenger Hand und überläßt ihrem Sohn sein eigenes Gut. Zweifellos kommt dies beiden sehr gelegen. Ich wäre nicht so gut im Bilde«, fügte er erklärend hinzu, »wenn wir nicht auf dem Rückweg von Winchester ein Stück weit mit einigen von de Clarys Männern geritten wären, die nach der Belagerung von Oxford heimkehrten. Den Herrn selbst habe ich nicht gesehen, er wurde noch bei Hofe aufgehalten, als wir aufbrachen.
Inzwischen, wenn Stephen ihn fortgelassen hat, wird er aber auf dem Heimweg sein.«
Cadfael nahm diese Neuigkeiten gelassen aber ohne große Freude auf. Also lebte sie noch, die Frau, die versucht hatte, ihrer Tochter mit einer Abtreibung zu helfen, welcher der Tochter aber den Tod gebracht hatte. Nicht die erste und die letzte, die auf diese Weise zu Tode gekommen war. Aber welche Verzweiflung und welche Schuldgefühle mochten die Mutter damals heimgesucht haben, welche bitteren Erinnerungen glühten selbst jetzt noch unter der Asche von achtzehn Jahren? Es wäre besser, sie nicht aufzustören.
Andererseits hatte auch Haluin mit seinen Gewissensbissen und seiner nach Erlösung dürstenden Seele seine Rechte. Und schließlich war er damals erst achtzehn Jahre alt gewesen! Die Frau, die ihm die Zuneigung seiner Tochter durch ein Verbot entzogen hatte, war sicherlich doppelt so alt wie er. Sie hätte, dachte Cadfael fast empört, sofort sehen müssen, was sich zwischen den beiden entwickelte, um rechtzeitig die richtigen Schritte zu unternehmen und sie zu trennen.
»Hattet Ihr schon einmal das Gefühl, Hugh, daß es besser sein könnte, selbst eine schlimme Tat ruhen zu lassen, als noch Schlimmeres zu entfesseln?« fragte Cadfael traurig. »Ach! Er hat noch nicht einmal seine Krücken probiert. Wer weiß, was sich in ein paar Wochen alles ändern kann.«
Mitte Januar hoben sie Bruder Haluin aus seinem Bett und setzten ihn neben das Feuer in der Krankenstation in eine Ecke. Er konnte sich nicht wie die anderen frei bewegen, um aus eigener Kraft der Kälte Herr zu werden. Sie behandelten seinen Körper, der vom langen Liegen noch steif war, mit Öl und Massagen, um die Sehnen wieder beweglich zu machen.
Um seine Hände und seinen Kopf zu beschäftigen, brachten sie ihm seine Farben und ein wenig Arbeit; er bekam eine einfache Seite zum Ausschmücken, bis seine Finger ihre alte Gewandtheit und Gleichmäßigkeit wiedergewonnen hatten.
Seine zermalmten Füße waren geheilt und in den unglücklichen Formen erstarrt. Es kam noch nicht in Frage, ihn etwa versuchen zu lassen, auf ihnen zu stehen, aber Cadfael erlaubte ihm, die Krücken auszuprobieren, die Bruder Luke für ihn gemacht hatte. Zwei Brüder stützten Haluin, während er sich allmählich an ihr Gewicht und ihre Handhabung und an die gepolsterten Stützen in seinen Achselhöhlen gewöhnte. Wenn man keinen seiner Füße dazu bringen konnte, ihn irgendwann wieder zu tragen, dann waren selbst die Krücken nutzlos, aber Cadfael und
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