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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Gesellschaft und seine Gebete werden Euch trösten und begleiten. Eure Absichten und die Erinnerungen der Dame werden dadurch nicht getrübt, und außerdem ist er fähig, Euch unterwegs zu versorgen.« An Cadfael gewandt, sagte er dann: »Wollt Ihr diese Aufgabe übernehmen? Ich glaube nicht, daß er schon in der Lage ist, allein zu gehen.«
    Was bleibt mir übrig, dachte Cadfael, war aber im Grunde über diese Entwicklung alles andere als traurig. Irgendwo, tief in ihm, war noch ein kleiner Rest des Vagabunden, der vierzig Jahre lang von Wales bis Jerusalem und zurück zur Normandie die Welt durchstreift hatte, bevor er Gefallen an der Gleichmäßigkeit des Klosterlebens gefunden hatte. Da der Ausflug vom Abt nicht nur erlaubt, sondern sogar befohlen worden war, nahm er ihn als willkommene Gelegenheit und nicht als Versuchung, der man entgehen mußte.
    »Wenn Ihr es wünscht, Vater, dann werde ich ihn begleiten.«
    »Die Reise wird mehrere Tage dauern. Ich denke, Bruder Winfrid kann Bruder Edmund auch allein mit allem versorgen, was dieser für die Kranken braucht?«
    »Für ein paar Tage dürften die beiden zurechtkommen«, stimmte Cadfael zu. »Ich habe den Arzneischrank in der Krankenstation erst gestern nachgefüllt, in der Hütte ist noch ein guter Vorrat aller wichtigen Arzneien, die gewöhnlich im Winter gebraucht werden. Sollte etwas Unvorhergesehenes geschehen, könnte auch Bruder Oswin aus St. Giles gerufen werden, um eine Weile auszuhelfen.«
    »Gut! Nun Haluin, dann bereitet Euch auf die Reise vor und brecht auf, sobald Ihr bereit seid, meinetwegen schon morgen.
    Aber Ihr müßt Bruder Cadfael gehorchen, sobald Eure Kräfte schwinden, Ihr müßt ihm zu Willen sein, wie Ihr innerhalb dieser Mauern mir gehorcht.«
    »Vater«, erwiderte Haluin inbrünstig, »das will ich tun.«
    Am Altar der heiligen Winifred wiederholte Bruder Haluin am Abend nach der Vesper seinen feierlichen Schwur, um sich selbst keinen Ausweg mehr zu lassen. Bleich war sein Gesicht, und er sprach mit einer Inbrunst, die Cadfael, der auf Haluins Wunsch zugegen war, sofort erkennen ließ, daß dieser unerbittliche Büßer in seinem innersten Herzen um die Mühen und Schmerzen wußte, die er sich auferlegte. Leidenschaftlich und mit einer Entschlossenheit, die Cadfael lieber für ein praktischeres und nützlicheres Unternehmen verwendet gesehen hätte, nahm er die Bürde auf sich. Wer hätte etwas von dieser Reise, selbst wenn sie erfolgreich abgeschlossen würde, wer außer dem Büßer selbst, der sich wenigstens teilweise seine Selbstachtung zurückgeben würde? Sicher nicht das arme Mädchen, das keine schlimmere Sünde begangen hatte, als um der Liebe willen zuviel zu wagen und das gewiß schon lange in Gnade in den Himmel aufgenommen war. Nicht die Mutter, die sicher schon vor langer Zeit diesen schrecklichen Traum abgeschüttelt hatte, nur um heute, nach so vielen Jahren, noch einmal mit ihm konfrontiert zu werden.
    Cadfael war nicht der Ansicht, daß es die wichtigste Aufgabe jedes Menschen in dieser Welt sei, seine eigene Seele zu retten. Es gab genug andere bedürftige Seelen und leidende Körper, die auf dem Weg in den Himmel unterstützt werden mußten.
    Aber Haluins Bedürfnisse waren nicht die seinen. Die bitteren Jahre, die Haluin mit Selbstvorwürfen verbracht hatte, riefen sicherlich nach einem Heilmittel.
    »Vor diesen heiligen Reliquien«, sagte Bruder Haluin, die Handfläche an die Tücher gepreßt, die den Schrein verhüllten, »wiederhole ich meinen Schwur: Ich werde nicht ruhen, bis ich zu Fuß zum Grab gegangen bin, in dem Bertrade de Clary liegt, bis ich eine Nachtwache im Gebet für ihre Seele verbracht und bis ich hierher, zum Ort, an dem ich diene, zu Fuß zurückgekehrt bin. Wen ich dabei scheitere, dann soll ich verdammt und ohne Vergebung sterben.«
    Sie brachen am Morgen des vierten März gleich nach der Prim auf, wanderten durchs Tor und durch die Vorstadt nach St.
    Giles und nahmen die Hauptstraße nach Osten. Es war ein bewölkter, windstiller Tag, die Luft war kühl aber nicht mehr winterkalt. Cadfael sah vor seinem inneren Auge den Weg, der vor ihnen lag, und fand ihn nicht allzu schwer. Nachdem sie die Hügel im Westen hinter sich gelassen hatten, würde das Land mit jeder Meile, die sie weiter nach Osten kamen, zu einer grünen Ebene abfallen. Die Straße war trocken, denn es hatte eine Weile nicht mehr geregnet, und die Wolkendecke war hoch und bleich, also drohte auch kein Regen. Die Straße war mit

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