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Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hartwell
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Luftschiffe nach oben schicken. Pfleger und Schwestern werden gesucht.« Sie redet weiter, driftet ab, so zumindest scheint es Jakob, der er doch nichts wissen will über andere Luftschiffe und andere Patienten. Er hört ihr kaum zu, während sie von Phyllis erzählt, die bereits einen neuen sechswöchigen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Aber was ist mit uns?, will er sie fragen. Und erneut drängt er die Frage zurück, fürchtet sich zu sehr vor der Antwort. »Fragt sich, was mit uns passiert«, sagt er stattdessen in Richtung des Bodens und ohne sie anzusehen. »Ich meine, wenn wir wieder unten sind. Bleiben wir dann gesund, oder geht alles wieder von vorne los?«
    Er hat damit gerechnet, dass sie etwas Beschwichtigendes sagen wird, einen jener Sätze ohne genaue Kontur und Bedeutung, wie man sie hier überall hört. Lasch gesprochene Zusicherungen: Das wird schon. Das Schlimmste haben wir hinter uns.
    Sie aber sagt nichts.
    Er hebt den Kopf.
    »Nein, nichts. Ich weiß nichts«, versichert sie ihm schnell.
    Als er sie weiterhin abwartend anschaut, greift sie in die Seitentasche ihrer dunklen Uniform und zieht einen Zettel hervor, den sie ihm reicht. In kleiner ordentlicher Handschrift hat sie ihren Namen, zwei Adressen und eine Telefonnummer darauf vermerkt.
    »Falls sie mich nicht gleich wieder hochschicken, werde ich wahrscheinlich nicht lange in der Stadt bleiben. Meiner Mutter geht es nicht gut, ich muss nach ihr sehen. Deswegen habe ich dir beide Anschriften aufgeschrieben, in der Stadt und in meinem Dorf, an der Küste. Und meine Nummer. Ich denke, dass sie dich ins Zentralkrankenhaus bringen, wenn wir wieder unten sind. Und dort müsste ich dich finden können, ich habe Zugang zu den Krankenakten. Aber falls nicht, falls irgendetwas anders kommt« – sie deutet auf den Zettel – »dann weißt du, wie du mich findest.«
    Milena
    Es gibt keinen Grund, sich zu sorgen.
    Es gibt keinen Grund, sich zu sorgen, denn Milena weiß, dass Jakob einen kleinen, weißen Zettel bei sich trägt mit ihrem Namen darauf, mit gleich zwei Anschriften und einer Telefonnummer. Es gibt keinen Grund, sich zu sorgen, denn sie hat in seiner Krankenakte nachgesehen und sich notiert, in welche Abteilung man ihn bringen wird.
    »Ich werde kommen, ich werde dich besuchen«, hat sie versprochen, und er hat genickt, und darum gibt es keinen Grund, sich zu sorgen.
    Aber sie sorgt sich.
    Sorgt sich, während sie neben Phyllis steht und kleine ockerfarbene Tabletten in transparente Schieber füllt; zwei am Morgen und drei am Mittag und eine am Abend. Ihre Hände zittern ein wenig; das ist nur der Hunger, sagt sie sich, denn während der letzten Tage hat sie kaum etwas essen können; das ist nur die Aufregung, sagt sie sich, weil sie morgen landen werden, weil sie ihre Mutter und ihre wenigen Freunde wiedersehen wird. Und aufgeregt ist sie, aber auf eine angespannte Weise. Diese Aufregung ist das Gegenstück zu freudiger Erwartung, macht sie nicht nur zittrig, sondern auch fahrig, nimmt ihr den Hunger und lässt sie nicht schlafen.
    Nach dem Abendessen, welches sie damit verbringt, kleine Kartoffelstücke in noch kleinere Kartoffelstücke zu zerteilen und unter den Salatblättern zu verstecken, bleibt Milena mit Phyllis in der Küche sitzen. »Morgen sind wir wieder zu Hause«, sagt Phyllis. Und fährt nach einer kurzen Pause fort: »Wenn ich längere Zeit verreise, kommt immer der Punkt, an dem ich mir nicht mehr vorstellen kann, dass es mein zu Hause noch gibt. Als ob, nur weil ich nicht da bin, alles verschwunden sein müsste – nicht nur meine Wohnung, sondern die ganze Straße, der Supermarkt, mein Mann.« »Albern«, setzt sie nach.
    Milena widerspricht nicht, obwohl sie weiß, dass man ein Zuhause nicht einmal verlassen muss, damit es einem abhandenkommen kann. Damals schon, in jener Nacht vor über zehn Jahren, als sie alleine am Strand und unter den steinernen Wolken stand, erkannte sie, dass man eine Heimat auch verlieren kann, ohne sie zu verlassen; während man noch dort ist und an allem festhält, kann sie einem entgleiten.
    In dieser Nacht liest sie Jakob besonders lange vor.
    Obwohl sie ihn nach ihrem ersten Besuch nie wieder dazu aufgefordert hat, schließt er die Augen, sobald sie das Buch öffnet. Die beiden Bewegungen – Öffnen und Schließen – scheinen ihr inzwischen wie zwangsläufig miteinander verbunden.
    Nachdem sie die letzte Geschichte zu Ende gelesen hat, klappt sie vorsichtig das Buch zu. An Jakobs Atem kann

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