Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
Bedrohung in ihrem Rücken, während sie an der Pforte fragte. Sie ließ eine Studentin vor, die es eilig hatte und ihre Frage stellte, und ließ dann auch ihn vor, der in ihrem Rücken wartete, weil sie so etwas in ihrem Rücken nicht leiden konnte, während sie so lange wartete, bis sie wieder drankam. Der Pförtner ließ sie auf ihre Frage hin passieren, und sie stieg zum Wohnheim hinauf, wo sie den dunklen, hallenden Gang absuchte, mit den Mönchszellen zu beiden Seiten, bis sie seinen Namen fand und klopfte. Er rief sie von innen beim Namen und wendete sich von seinem Tisch, an dem er arbeitete, zu ihr um. Sie hatte sofort gewußt, was er von ihr wollte, als er sie hierher eingeladen hatte. Aber sie hatte es sich nicht so schön vorgestellt mit diesem kleinen Zimmer und den Betten in der Wand, die wie Höhlen aussahen. Sie setzte sich, wie er es wollte, und mußte Schnaps trinken, den er in seinem Schrank hatte. Er wollte einen großen Schluck sehn. Er verzog sein Gesicht, als er seinen Schluck nahm, und sie mußte gleich mit ihren Fingern in sein Haar, weil es so hübsch aussah. Tee war überhaupt nicht da. Sie hatte sich so etwas gedacht und die Einladung auch nicht so aufgefaßt, aber es enttäuschte sie ein bißchen.
Sie hatte keine Zeit, sich damit abzugeben, denn sie bekam jetzt wieder die Flasche. Sie protestierte zwar, aber sie wollte auch nicht aus der Rolle fallen. Sie saßen am Fußboden, und sie beschwerte sich, daß es keinen Tee gebe, worauf er welchen machen wollte. Sie hielt ihn aber fest und sagte ihm, daß er ein netter Junge sein sollte, worauf er ihr die Flasche reichte und sie aufforderte, einen Schluck daraus zu nehmen. Sie merkte die Unsicherheit, die in ihm lärmte, obwohl er alles genau berechnet hatte, was sie auch wahrnahm, die Alarmklingel in ihm und die Regie über ihnen beiden. Sie bekam ihn an den Schultern zu fassen und zeigte ihm, daß er ruhig sein könnte, strich mit dem Daumennagel sein Rückgrat einmal von oben nach unten. Er versuchte noch mal, an die Flasche heranzukommen, aber sie schob sie fort und setzte sich ihm gegenüber an die Wand, so daß er sie ansehn mußte. Sie redeten etwas über das Café, in dem sie sich kennengelernt hatten, und legten sich dann ins Bett.
Später zog er seinen Bademantel über, unter dem er nackt war, und ging hinaus. Sie wartete etwas, denn sie hätte ihn jetzt gern noch gehabt. Sie hätte gern sein Gesicht gesehn und bat ihn, Licht zu machen, als er wieder hereinkam und den Bademantel abstreifte. Er hielt sie aber fest, als sie selbst zum Lichtschalter wollte, und es gab einen Ringkampf, der ihn sofort wieder erregte, so daß sie sich klein machte und betete und sofort, als sie etwas anstoßen spürte, die Seine war. Sie verstand nicht, weshalb er gleich wieder aufstehn mußte und wieder im Bademantel hinauslief. Etwas war da, was sie störte, aber das ging unter. Sie hätte jetzt gern einen Film angesehn.
Sie hörte aus einem der Nachbarzimmer you are my special angel und beschäftigte sich mit dem Text, bis er wieder hereinkam. Sie wollte sich jetzt unterhalten und fand es dumm, daß er, sobald er den Bademantel abstreifte, von neuem anfangen wollte, ohne ein Wort zu sagen. Sie setzte sich auf und knallte ihm eine, als er Gewalt anwenden wollte, aber das tat ihr so leid, daß sie nachgab, obwohl sie jetzt keine Lust hatte, sondern mit ihm reden wollte. Sie dachte daran, was sie sagen wollte, war jedoch, ohne daß sie das wollte, plötzlich weg. Sie empfand das dritte Mal als eine Ausschreitung und hatte Angst. Sie versuchte ihn festzuhalten, als er wieder hinauswollte, aber sie war noch zu weich, und er entrann ihr. Sie hatte Angst und machte deshalb Licht und brachte das Bett in Ordnung, was sie etwas ruhiger machte. Sie hatte im Augenblick zu überhaupt nichts mehr Lust. Was sie sagen wollte, hatte sie vergessen. Sie wartete und hoffte, daß er, wenn er zurückkam, irgend etwas wüßte, worüber man reden könnte.
Als die Tür aufging, sah sie sofort, daß das ein Perser war, der in seinem Bademantel steckte. Sie riß die Tür, die der Perser wieder zuziehn wollte, als er Licht sah, auf und schlug weitausholend zu, daß der Kopf des Persers, den der Schlag am Ohr getroffen hatte, gegen die Wand des Flurs, wohin er zu fliehn versucht hatte, schlug. Es war ein trockner, harter Knall, der in dem schmalen Gang, auf den die Mönchszellen mündeten, ziemlich schrecklich klang. Der Perser starrte die Frau an, die in das Zimmer
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