Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
später sechzehn Kinder und viele Enkel. Nach dem Tod des tyrannischen Vergewaltigers galt sie als große Dame, die zahlreiche Städte unterdrücken half.
Die Nachricht von ihrem Leben ist in Inschriften der Stadt Uruk niedergelegt. Der Oberstudiendirektor und Major der Reserve Dr. Rolf Hartung, mit Amtssitz in Saloniki, untersuchte 1941 diese Texte, die in Tonscherben eingeritzt und auf dem Schwarzmarkt in Griechenland zu kaufen waren. Sie kamen mit Herkunftszeugnis direkt aus Mesopotamien.
Ein Frauenopfer 1944
Im Februar 1944 wurde ein deutsches Elternpaar, das drei Töchter besaß, auf ihrem Schloß in Polen von der Roten Armee überrollt. Von den drei Töchtern waren den Eltern die erste und die jüngste am liebsten. So gaben die besonnenen Eltern einem sowjetischen Offizier die mittlere Tochter als Geschenk gegen die Zusage, daß dieser hochrangige Mann die übrige Familie wirksam schützen werde. Russisch hatten sie vor dem Krieg gelernt. Dennoch war die Verhandlung, der Wortwahl nach, wegen des besonderen Anliegens nicht einfach zu führen.
Die mittlere Tochter wurde herangeschleppt und ausgeliefert. Der Offizier schien ihr gewogen, ein höflicher Mann. Tatsächlich glückte im gesellschaftlichen Chaos dieser Übergangszeit zwischen zwei herrschenden Systemen die Rettung der übrigen Familie. Sie gelangte in Westdeutschland bis zur Ems.
Fast wäre die Opferung der Tochter vergebens gewesen, weil der sowjetische Offizier, dem sie ausgeliefert worden war, vorzeitig versetzt wurde. Schon aber waren die Pfade der Vergewaltiger – sämtlich niedrigere Dienstgrade als dieser Offizier – in dieser Gegend durch Trägheit und Gewohnheit verfestigt. Das schützte die Familie. Auch war die mittlere Tochter (das Opfer) von dem zunächst als Beschützer gewählten sowjetischen Offizier an einen anderen hochrangigen Militär-Funktionär weitergegeben worden, der wie der Erstbesitzer Verantwortungsgefühl für das »Geschenk« und dessen Angehörige empfand.
Kamen Eltern und das verloren gegebene Kind wieder zusammen? Noch vor der Währungsreform vom Juni 1948 gelangte das junge Menschenwesen auf abenteuerlichem Wege über Griechenland (von der Krim über Saloniki, zeitweise untergebracht in Athen, über Italien) in die Heimat. Über die Ereignisse wurde in der Familie geschwiegen.
Abb.: Marx, Engels, Lenin und Ovid.
Mord in der Hochzeitsnacht
Hygin (168) und Horaz ( Carmina 3,11,22ff.) berichten:
König Danaos hatte 50 Töchter und sein Bruder Aigyptos, mit dem er verfeindet war, 50 Söhne. Aigyptos zwang Danaos zu der Abmachung, die beiderseitigen Kinder miteinander zu verheiraten. Doch Danaos befahl seinen Töchtern, die feindlichen Freier noch in der Hochzeitsnacht umzubringen. Mit einer Ausnahme folgten alle dem väterlichen Befehl. Später mußten sie in der Unterwelt in alle Ewigkeit Wasser in ein durchlöchertes Faß schöpfen.
Die Schönheit in der Stimme der Nachtigall
Nach Ovid ( Metamorphosen 6,24ff.):
Der thrakische König Tereus sollte nach fünfjähriger Ehe mit Prokne, einer attischen Prinzessin, die ihm den Sohn Ithys geboren hatte, deren Schwester, die Prinzessin Philomele, aus Athen abholen. Auf der Heimfahrt vergewaltigte Tereus Philomele und schnitt ihr die Zunge ab, damit sie von der Gewalttat nicht sprechen konnte. Die Stumme verbarg er in einem Gelaß in den Wäldern nahe seiner Hauptstadt.
Philomele aber setzte sich an einen Webstuhl und bebilderte ihre Geschichte auf Tüchern. So erfuhr Prokne, was der Schwester widerfahren war. Im Affekt tötete sie ihren Sohn Ithys und setzte diesen dem untreuen König zum Mahle vor. Als Tereus gegessen hatte, teilte ihm Prokne mit, woraus seine Speise bestanden hatte. Sie rief Philomele herbei, die Tereus das blutige Haupt des kleinen Ithys ins Gesicht warf. Tereus, erregt, griff zum Schwert.
Doch alle drei wurden vom Gott auf der Stelle in Vögel verwandelt. Tereus in einen Wiedehopf, Prokne in eine Schwalbe und Philomele in eine Nachtigall. Sie, die Stumme, trauert seither in den Nächten mit schöner Stimme, obwohl nicht sie, sondern ihre Schwester den Sohn verlor.
Die Metamorphosen des Ovid
Der Altphilologe Niklas Kaminski interessierte sich bei seiner poetischen Ursachenforschung in Ovids Metamorphosen vor allem für Bruchstellen. Die Oberfläche sei glatt. Es sei zum Beispiel logisch und konsekutiv, daß nicht Prokne in die Nachtigall verwandelt werde, sondern ihre Schwester Philomele: die Zungenlose wird verwandelt in die schönste Sängerin
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