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Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Überzeugung, weil ja bekannt ist, dass solche Preise nur durch Sklavenarbeit von Frauen und Kindern möglich werden. Ehrlich gesagt, hatte ich in meinem vorherigen Leben als Oberstaatsanwaltstöchterchen nicht einmal bemerkt, dass man eine Jeans für zehn Euro bekommen konnte.
    Babsi kannte es nicht anders. Als Friseurin verdiente sie knapp vier Euro die Stunde, erzählte sie mir freimütig. Das reichte gerade für ihren Anteil der Miete. Das Sozialamt stockte ihren Lohn regelmäßig auf, damit sie ihre Grundbedürfnisse erfüllen konnte. Shoppen gehörte nach Ansicht der Behörden nicht zu den Grundbedürfnissen.
    Babsi sah das anders. Die hochgewachsene Blondine stöckelte im gefühlt zwanzigsten Rock den Gang hinunter.
    »Da sieht man meine X-Beine so«, mäkelte sie vor dem Spiegel.
    »Du hast keine X-Beine«, wiederholte ich zum zwanzigsten Mal. Warum lief Babsi in kurzen Röcken herum, wenn sie nicht wollte, dass man ihre Beine sah? Während ihr Sergej sich an glühenden Stöcken die Hände verbrannte, um zu zeigen, was für ein toller Kerl er war, mäkelte Babsi chronisch an sich herum.
    »Bist du blind?« Sie drehte die Fußspitzen absichtlich nach innen.
    Ich fühlte mich verarscht und schwieg.
    Mit meiner Wortlosigkeit konnte Babsi nichts anfangen. »Was meinst du? Lieber den mit Rüschen? So ein Teil hatte Heidi neulich im Fernsehen an. Das ist doch sexy, oder? Meinst du, Sergej findet es geil?«, bombardierte sie mich beinahe ärgerlich mit Fragen.
    »Geil?« Ich rieb mir die Stirn. »Bestimmt. Männer mögen’s ja praktisch.«
    »Genau.« Babsi nickte, sichtlich erleichtert, dass wir uns endlich verstanden. »Steht Ben auch drauf, wenn du nichts drunter trägst? Wenn er jederzeit zur Sache kommen kann?«
    Wow! Stopp. Das war deutlich mehr, als ich über Babsis Intimleben wissen wollte. Konnte man meine Erinnerung an diese Unterhaltung löschen, so wie bei Men in Black das Wissen um die Anwesenheit der Außerirdischen?
    »Komm, ich gebe einen Kaffee aus«, wechselte ich überhastet das Thema.
    Gleich darauf saß ich Babsi gegenüber. Auf einem Supermarktparkplatz, auf dem ein Backshop Plastikstühle in die Sonne gestellt hatte. Die Blondine schlug ihre glatt rasierten Beine übereinander. Mein Blick wanderte vom Leopardenaufdruck ihres T-Shirts über das offenherzige Dekolleté zu ihrer platinblonden Mähne. Ihre künstlichen Fingernägel klickerten gegen das Porzellan ihrer Tasse, als sie sie an ihren rosa Schmollmund hob. Warum, um alles in der Welt, imitierte sie eine fünfzig Jahre alte, amerikanische Plastikpuppe?
    »Wohnst du eigentlich schon immer in Gerthe?«, versuchte ich, ein unverfängliches Gespräch in Gang zu bringen.
    »Nee, ich komme aus Bochum-Eppendorf. Aber in Querenburg und Dahlhausen hab ich auch mal gelebt. Jetzt musste ich zu Hause raus, da bin ich zu Sergej gezogen.«
    Für eine Sekunde glaubte ich, einen echten Menschen hinter Babsis aufgemotzter Fassade sprechen gehört zu haben.
    »Gab es Stress zu Hause? Mit deinen Alten?«, fragte ich nach.
    »Ach«, Babsi winkte ab. »Nur das Übliche.«
    Ich wartete. Wieder schien ihr mein Schweigen unangenehm zu sein. Sie stellte den Kaffee ab und fummelte ein Päckchen Zigaretten hervor.
    »Meine Mutter wollte sowieso gerade zu ihrem Freund ziehen«, füllte Babsi die Stille mit Geplapper. »Da dachte ich, wenn ich eh umziehen muss, kann ich auch gleich die Biege machen.«
    »Und dein Vater?«, hakte ich nach.
    Babsi winkte ab.
    »Weg oder was?«, blieb ich dran.
    »Der ist abgehauen, als ich vier war. Mein Stiefvater mit elf. Der Nächste, als ich vierzehn war. Meine Mutter ist mit mir bei den Typen ein- und zwei Jahre später wieder ausgezogen. Das nervt irgendwann.« Sie zündete ihre Zigarette an und sog erleichtert das Nikotin ein.
    »Also, der Rock ist schon mal geil«, kam sie auf ihr Lieblingsthema zurück. »Eigentlich brauche ich noch passende High Heels dazu. Sergej steht total auf lange Beine.«
    Ich seufzte genervt. Einen Moment lang hatte ich mir eingebildet, mit Babsi so etwas wie eine Unterhaltung führen zu können.
    »Sergej ist aber bestimmt nicht wegen deiner Beine mit dir zusammen«, fauchte ich gereizter, als beabsichtigt.
    Babsi öffnete erstaunt die Lippen. Die Kippe fiel ihr aus dem Mund und versank zischend im Kaffeerest. »Warum denn sonst?«
    Mir fehlten die Worte. Dabei war Babsis Outfit dem meiner Freundin Karo nicht unähnlich. Bis auf die Wahl des T-Shirts: Stinkefinger oder Leopard – anscheinend machte

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