Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
kurzen Blick. Sie erinnerte sich anscheinend nicht an uns. Wie lange war sie nicht mehr nüchtern gewesen?
»Sabine Kopelski ist seit drei Wochen verschwunden«, klärte Danner sie auf.
Die weißen Augenbrauen und der zerfurchte Mund der Frau rückten auf die Nase zu: »Verschwunden?«
»Wir haben gehört, Sie hatten Streit mit Frau Kopelski«, erklärte ich.
»Streit? Streiten tun wir beide, Kleines. Die Kopelski hasse ich. Die tut, als wär sie was Besseres.« Die Aufregung verlieh den bleichen Wangen der Frau einen blassrosa Schimmer. »Die kann die Wahrheit nicht vertragen, das ist alles. Die beschimpft mich, weil sie nicht zugeben kann, dass sie selbst gern wäre wie ich! Aber das lasse ich mir nicht gefallen! Ich nicht.«
»Deshalb sind Sie mit einem Messer auf sie losgegangen?«
Die Sprack kniff die Augen zusammen und musterte mich scharf. »Weil sie nicht glotzen soll, Schätzchen. Das kapierst du wohl nicht.«
»Ehrlich gesagt: Nein.« Ich starrte zurück.
»Die fühlt sich ganz toll, wenn sie mich sieht«, zischte die Sprack. »Weil sie glaubt, dass es mir noch beschissener geht als ihr. Dabei kennt sie mich gar nicht.«
»Haben Sie Bine Kopelski bei dem Angriff verletzt?«, mischte sich Danner ein.
Die Sprack schnaufte: »Quatsch. Die kann ja rennen wie ein Karnickel.«
»Hatten Sie später noch mal Streit mit Frau Kopelski?«, ließ er nicht locker. »Immerhin hat sie Sie angezeigt. Sie müssen sich nächste Woche vor Gericht verantworten.«
»Diese Idiotin!«, brauste die Sprack auf.
Die Frau im Nebenbett gab ein erschrockenes Stöhnen von sich.
»Natürlich hatten wir Streit! Ich lass mir nicht das Maul verbieten, nur weil die mit den Bullen droht! Meinen Alten hab ich damals zum Teufel gejagt, nachdem er mir die Suppenschüssel über den Kopf gezogen hat.«
Sie fummelte mit knotigen Fingern in ihren Haarfusseln. Einen Augenblick lang sah ich die breite Kerbe im Haaransatz aufblitzen.
»Und die klebt an einem Kerl, der seine Finger nicht von anderen Weibern lassen kann.«
Ich zog die Brauen hoch. Ein Frauentyp schien mir Grizzly Adams nicht gerade zu sein. Doch dann musste ich an sein Getatsche beim Sektholen in seiner Blockhütte denken.
Erstaunlich, dass der Sprack das aufgefallen war. Das alte Gespenst passte unerwartet gut auf.
»Ins Gesicht hab ich ihr das gesagt«, spuckte die Sprack aus. »Da hat die mir doch eine gescheuert.«
Zwischen Bine Kopelski und der Sprack war es ein zweites Mal zu Handgreiflichkeiten gekommen?
»Wann war das?« Ich fragte, ohne Hoffnung, eine vernünftige Antwort zu bekommen.
Die Sprack zuckte die knochigen Schultern.
»Haben Sie Bine Kopelski noch mal mit einer Waffe angegriffen?«, wollte Danner es genau wissen.
»Verdient hätte sie es.«
»Bine Kopelski ist seit drei Wochen verschwunden. Ist Ihnen das klar?«
Die dunklen Augen der Frau flitzten irritiert zwischen Danner und mir hin und her.
»Haben Sie Frau Kopelski etwas angetan, nachdem sie Sie angezeigt hatte?«, ließ Danner nicht locker.
Die rosa Farbe ihrer Wangen verblasste schlagartig. »Nein!«
»Sie wissen es nicht«, interpretierte Danner ihre Verwirrung. »Sie erinnern sich nicht an die letzten Wochen.«
Ein Zittern schlich sich in die fauchende Stimme der Alten: »Sie glauben doch nicht, dass ich etwas mit dem Verschwinden der Kopelski zu tun habe?«
»Glauben Sie es denn selbst?«
Eine Sekunde herrschte Schweigen.
»Das könnte Ihnen so passen, mir das anzuhängen!«, keifte die Sprack dann los. »Fragen Sie doch ihren Mann!«
Eine junge Krankenschwester mit roten Haaren stürzte herein und erfasste die Situation mit einem Blick: »Sie müssen jetzt gehen.«
Die Pflegerin schob uns zur Tür.
»Wahrscheinlich hat sie sich totschlagen lassen von dem Scheißkerl!«, schrie die Sprack uns hinterher. »Das würde ihr ähnlich sehen.«
Klick.
Pflanzen. Pflanzen versperren die Sicht durch die Terrassentür. Die großen, grünen Gewächse scheinen den ganzen Raum zu füllen.
Mist.
28.
Es gab etwas Schlimmeres als eine dreistündige Shoppingtour durch sämtliche Boutiquen der Innenstadt: eine Shoppingtour beim Textildiscounter.
Das kollektive Einkaufen erzeugte ein ähnliches Gefühl wie die Hühnertreffen mit meinen Freundinnen: Der eigentliche Zweck der Veranstaltung blieb mir verborgen.
Und in einem Discounter, der Shirts für 2,99 € anbot, multiplizierte sich dieses Gefühl noch.
Ich war noch nie in einem Billigladen für Mode gewesen. Nicht nur aus
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