Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
eine Blutdruckmanschette um Hansis Arm.
Danner hatte sich zu den Uniformierten gesellt und erstattete artig Bericht, während meine Finger in der Hosentasche mein Handy umklammert hielten.
Ein erster Journalist fotografierte.
Hinter dem rot-weißen Flatterband, mit dem eine junge Polizistin den Tatort absperrte, starrte die Fromm ungeniert Staschek an, der kurz vorher seinen dunklen Kombi am Straßenrand geparkt hatte. Als Chef der Mordkommission musste er seine Fönwelle in die Kameras halten und ein paar beruhigende Worte sagen.
Ich trat neben unsere Auftraggeberin. Sie war ungekämmt und trug ihren Pullover auf links.
»Frau Ziegler. Sie sind aber wirklich schnell vor Ort«, staunte Silvia Fromm beeindruckt. »Was ist denn passiert?«
Ich zuckte die Schultern: »Das wird die Polizei klären müssen. Es hat wohl ein Verbrechen in Nummer 74 gegeben. Sie wissen doch bestimmt Genaueres über den Bewohner?«
Eine rhetorische Frage. Und mein Vertrauen in ihr Insiderwissen wurde nicht enttäuscht.
»Natürlich, die Schröders leben ja schon immer hier. Alte Bergarbeiterfamilie. Der Vater vom Archibald hat erst spät geheiratet und ist verstorben, als Archibald noch ein Kind war. Staublunge. Archibald war sein Leben lang mit seiner Mutter allein. Bis sie letztes Jahr ebenfalls verstorben ist.«
Archibald war der Pudelfreund. Ich erinnerte mich dunkel, den Namen beim Zeitungenaustragen gelesen zu haben.
»Dann ist Archibald Schröder mit Matthias Hesskamp und Alwin Kopelski zusammen hier aufgewachsen?!«, erkundigte ich mich. Der Pudelfreund war doch ungefähr im gleichen Alter gewesen. »Waren sie befreundet?«
Silvia Fromm pustete die roten Backen auf: »Da müssen Sie den Matthias fragen. Aber Archibald war schon immer ein bisschen schwierig. Ohne Frage war er ein süßes Kind, mit seinen blonden Locken, aber er hat die Nase immer nur in Bücher gesteckt. Mit Partys, Saufen und Frauen hatte der nichts im Sinn. Er hat sogar Literatur studiert und danach in einem Verlag gearbeitet. Und vor fünf Jahren war er einer der Ersten im neuen Kulturwerk in den restaurierten Zechengebäuden. Hat seinen eigenen Verlag gegründet und Gespensterbücher rausgebracht. Ich hab gleich gesagt, das will keiner lesen. War dann auch so. Zwei Jahre später musste er Insolvenz anmelden. Seitdem war es das, mit der Arbeit. Letztes Jahr ist seine Mutter verstorben. Ohne die kommt er gar nicht zurecht, die hat ihm ja sein Leben lang alles hinterhergetragen. Ich hab ihm mal einen Kuchen gebracht, da hatte er noch alle Sachen seiner Eltern aufgehoben.«
Ich dachte an den Teddybären auf dem Bett und schüttelte mich innerlich. Der Pudelfreund hatte das Haus seiner Eltern so gelassen, wie es war: die alten Möbel, das unbenutzte Schlafzimmer. Und er selbst hatte noch immer in seinem eigenen Kinderzimmer gelebt. Das war unheimlich, irgendwie.
»Eine eigene Familie hat Archibald nicht?«
Die inzwischen versammelte Presse lenkte meine Aufmerksamkeit ab, denn sämtliche Kameras klickten gleichzeitig.
Neben Staschek und dem Polizeipräsidenten stand nun eine schlanke Frau in einem aufsehenerregenden, silberglänzenden Kostüm. Die kurz geschnittenen, haselnussbraunen Haare hatte sie frech ins hübsche, herzförmige Gesicht gefönt und die gewagten Absätze ihrer Pumps vertuschten, wie klein sie eigentlich war.
Typisch. Die Gelegenheit, ihr Gesicht in die Zeitung zu bringen, ließ die Vizepräsidentin der Bochumer Polizei nicht ungenutzt. Kaum aus dem Auto gestiegen, formulierte Klara Peters ein erstes Statement in die Kameras, deren Linsen wie magnetisch angezogen an ihr klebten.
Mein Blick suchte Danner. Ihm konnte das Auftauchen der Schlampe nicht entgangen sein. Ich entdeckte ihn neben einem Polizisten, er beobachtete das Getue seiner Ex mit unbewegtem Gesicht.
Der Polizeipräsident hingegen war blass geworden. Er überließ Staschek den Platz neben seiner Stellvertreterin im Blitzlicht. Die heiße Liebe zwischen ihm und Klara Peters hatte sich offensichtlich abgekühlt.
»Nein. Ich kann mich nicht erinnern, dass Archibald je eine Freundin gehabt hätte.« Silvia Fromm sprach lauter, um meine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. »Das war für die Familie immer schwierig, weil …«
Fast war ich ihr dankbar.
Weil sie aufhörte zu sprechen, sah ich die große, alte Frau an. »Weil …?«
»Haben Sie einen Moment Zeit? Dann zeige ich es Ihnen.«
37.
Das Gesicht des Bergmanns war grün. Genau wie sein nackter Oberkörper und die
Weitere Kostenlose Bücher