Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
was ich sowieso schon gesehen hatte. Was ich üblicherweise ignorierte.
Doch heute sagte er: »Wir haben nicht viel Zeit. Die Polizei und ein Rettungswagen rücken gleich an.«
»Nicht viel Zeit? Für was?«
Danner erhob sich. Seine Augen wanderten über die Bücherregale.
»Das ist ein Mord. In fünf Minuten macht Lenny die Bude hier dicht.« Er schob sich an mir vorbei. »Ich sehe mich kurz um. Wenn du mit deiner Psychopathen-Theorie richtig liegst, wäre ein Zusammenhang mit unserem Fall denkbar.«
Danner verschwand im Flur.
Auf die Idee, nach dem Fund eines Toten dessen Wohnung zu durchsuchen, wäre ich nicht auf Anhieb gekommen. Aber Danner hatte natürlich recht, sobald die Polizei auftauchte war die Gelegenheit verpasst.
Ich warf einen Blick auf die Bücher. Der Pudelfreund hatte alles im Regal, vom Brille tragenden Zauberlehrling bis zu den Grundgedanken des Buddhismus. Tonnenweise Bücher, die nicht zur altertümlichen Einrichtung passten.
Ich hörte Danners Schritte auf der Treppe und ein Martinshorn in der Ferne. Unentschlossen blieb ich stehen.
Allerdings nur kurz.
»Lila!«, rief Danner.
Ich folgte ihm ins Obergeschoss. Dort gab es zwei Zimmer und ein Bad. Im ersten Raum standen ein Doppelbett mit geschnitzten Holzfüßen und Tagesdecke, ein zugehöriger Kleiderschrank und eine Kommode. Schwere Brokatgardinen verhängten das Fenster.
Im zweiten, kleineren Zimmer entdeckte ich ein weiteres, einzelnes Bett. Die Decke zerwühlt, ein Teddybär auf dem Kissen. Das Hundekörbchen daneben. Harry Potter mit seiner Hexenfreundin Hermine auf einem Poster an der Wand. Ein weiteres Regal, in dem eine kitschige Porzellanelfe als Bücherstütze diente. Und ein Schreibtisch.
Der Anblick des Teddybären auf dem Bett berührte mich merkwürdig. Ich fühlte mich wie in einem Kinderzimmer. Der Pudelbesitzer war aber um die fünfzig. Von einem Kind hatte Silvia Fromm nichts erzählt. Und wieso hatte er Poster von Harry Potter an der Wand?! Irgendwas passte hier nicht zusammen.
»Das gibt es doch nicht!« Danner hatte sich über den Schreibtisch gebeugt und betrachtete die darüber hängende Pinnwand. »In Zukunft verlasse ich mich öfter auf dein Bauchgefühl.«
Ich trat neben ihn.
»Scheiße«, stöhnte ich nach dem ersten Blick auf die Fotos. »Der Typ war ein Spanner!«
Mein vages Gefühl, beobachtet zu werden, war die Untertreibung des Jahres gewesen! Der Pudelliebhaber hatte einen Dachschaden. Das hatte eigentlich schon das rosa Mäntelchen seines Hundes verraten. Bis auf vier, fünf Lücken war die riesige Korktafel überfüllt mit Fotos.
»Da.« Danner tippte mit dem Finger auf eine Aufnahme. Bine Kopelski mit dem Zeitungswagen.
Auf einmal bekam der Tod des Pudelfreundes einen Sinn.
»Hat Alwin Kopelski seine Frau gerächt?«
Während Danner die Schubladen des Schreibtisches aufzog, wanderte mein Blick weiter über die Bilder. Frauen. Babsi oben ohne im Schrebergarten, Imbiss-Angi, eine hübsche Südländerin mit Pizzakarton. Der Pudelmann hatte vor allem Frauen nachgestellt und sie fotografiert. Mehrere Bilder waren offensichtlich abends durchs Fenster aufgenommen worden. Wenn ein Spalt zwischen den zugezogenen Gardinen geblieben war.
Das Martinshorn näherte sich dem Haus.
Danner schob die Schreibtischschubladen wieder zu.
Unmöglich konnte ich mir alle Bilder ansehen. Wahrscheinlich hatte der Spanner seine Fotos auf dem Laptop gespeichert. Aber – ich sah mich suchend um.
»Der hat gar keinen Computer?!«, stellte ich erstaunt fest.
Danner runzelte die Stirn.
»Fotografierte der etwa noch mit Film?« Ich deutete auf die Aufnahmen an der Pinnwand.
Danner rubbelte an der Ecke eines Bildes. Die Farbe verwischte.
»Selbst ausgedruckt.« Er bückte sich in den Fußraum unter dem Schreibtisch. »Da steht auch der Drucker.«
Wir sahen uns an.
»Der Mörder hat den Computer mitgenommen«, begriff ich.
Zuckendes Blaulicht kreiste durch den Raum.
»Mach Fotos von der Pinnwand«, schaltete Danner blitzartig. »Ich beschäftige so lange die Bullen. Die werden komisch, wenn man vor ihnen am Tatort rumschnüffelt.«
36.
Als ich kurz darauf in den Vorgarten trat, hatte sich die halbe Nachbarschaft auf der Straße versammelt. Vorn am Gartenzaun entdeckte ich Silvia Fromm, die selbstverständlich nicht fehlen durfte. Polizeipräsident Mattek persönlich hatte anstelle von Danner das Ablenkungsmanöver übernommen. Er ließ sich von der angerückten Nachtschicht informieren.
Ein Sanitäter legte
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