Das Fünfte Geheimnis
sagte wieder Judith, »eine gut organisierte Gruppe mit modernen Waffen?«
»Na«, meldete sich Beth, »wir werden es vielleicht bald herausfinden. Wenn die Gerüchte über die Armee stimmen.«
»Was für Gerüchte?« fragte Madrone, »haben sie uns attackiert?«
»Bisher nicht«, sagte Beth, »aber es scheint sich etwas zusammenzubrauen.«
Göttin, nein! dachte Madrone. Ich möchte heim. Ich will nicht hier bei diesen fremden Frauen sein, die mir endlose Fragen stellen. Vielleicht sollte ich ihnen nichts von alledem erzählen. Woher weiß ich, daß es keine Spione sind? Mußte nicht Bird Unsägliches erleiden, beinahe wäre er gestorben, um nichts von dem zu verraten, was ich hier einfach so nach dem Lunch erzählt habe? Daß wir im Grunde keine richtige Vereidigungsmöglichkeiten haben.
»Und was ist mit moralischer Reinheit und Reinheit der Familie«, meldete sich wieder die kleine Frau, »habt ihr Gesetze zur Reinhaltung der Rassen?«
Vielleicht sollte ich jetzt einfach den Mund halten, dachte Madrone. Aber Hijohn hat ebenfalls gesagt, ich solle mit den Leuten sprechen. Natürlich, er hat nicht an einen Lunchtisch voller Frauen gedacht. Aber wie kann es hier eine Hoffnung auf Änderungen geben, wenn die Leute nicht einmal wissen, was alles möglich ist?
»Möchtest du uns darauf nicht antworten?« fragte die Frau.
»Sie ist müde«, warf Sara ein.
»Oh nein«, sagte Madrone, »ich bin okay.« Ich habe ihnen nun schon so viel erzählt, dachte sie, kein guter Moment, nun plötzlich aufzuhören. Sie lächelte: »Rassenreinheit wäre bei uns wohl etwas schwierig durchzusetzen, wir sind ein buntes Volk von Mischlingen.«
»Das hält hier niemanden davon ab«, sagte Beth, »hier werden die Leute einfach in die eine oder andere Rasse eingestuft, mitunter ziemlich willkürlich. Ich habe Schwarze gesehen, die so hellhäutig waren wie ich, und andere, die dunkler waren als du, aber die Offiziellen während der Einstufung bestochen haben.«
»Also, wir ehren unsere Vorfahren zwar, aber wir denken dabei nicht über die Rassenzugehörigkeit nach«, sagte Madrone. »Das ganze Gerede von Rassen ist nur dazu angelegt, die Menschen zu spalten. Wir ehren unsere Vorfahren, gleich welcher Rasse und Geschichte sie angehörten. Vielfalt ist ein Teil unserer Stärke, sie bereichert unser Leben.«
»Aber es ist etwas Besonderes für Leute von deiner, hm, Rasse, Arzt zu sein, oder?« fragte eine Frau. Sie trug ihr schwarzes Haar aufgetürmt auf dem Kopf, »hast du die Universität besucht?«
»Jeder kann bei uns zur Universität gehen, wenn er will. Das hat nichts mit der Hautfarbe oder dem Geschlecht zu tun«, gab Madrone etwas gelangweilt zurück.
»So ist das hier auch, aber nur in der Theorie«, meldete sich Beth wieder. Alle Frauen blickten sie amüsiert an. Beth fuhr ungerührt fort: »Ich bin sicher, daß es kein entsprechendes Gesetz gibt, das Frauen davon abhalten soll, Medizin zu studieren oder Ingenieur zu werden oder sonst etwas. Auch Schwarze oder Latinos dürfen das. Sie haben aber Prüfungskommissionen, die die falschen Leute nicht durchlassen.«
»Bei uns gibt es keine Zulassungs-Tests für die Universität«, sagte Madrone. »Wenn du dich nicht gut vorbereitet hast, fällst du eben durch die Prüfung, ansonsten wirst du zugelassen. Wer durchfällt, kann es nochmal versuchen oder etwas anderes beginnen.«
»Aber nicht jeder ist intelligent genug für die Akademie«, warf Beth ein, »das hast du vergessen, uns zu sagen.«
»Stimmt, manche haben auch kein Interesse daran«, antwortete Madrone. »Und wenn du in geistiger Arbeit nicht gut bist, wozu willst du dich frustieren, wozu dich auf diese Weise verausgaben, wenn du doch auch anders glücklich werden könntest?«
Das Gespräch ging weiter. Sie fragten Madrone über die Restauration aus, über die Councils, über die Arbeitsgruppen und die Geschichte der City in den vergangenen zwanzig Jahren. Madrone bekam langsam Kopfschmerzen.
»Erzählt mir einmal etwas über eure Gruppe«, sagte sie schließlich, »was hat euch zusammengebracht, was wollt ihr erreichen?«
Die Frauen schwiegen plötzlich, blickten sich verlegen an. Schließlich antwortete Sara.
»Wir möchten das Leben der Frauen verbessern. Aber wir wissen nicht wie. Die Millennialisten sind mächtig. So bleibt uns vorerst nichts anderes übrig als uns zu treffen, miteinander zu diskutieren und voneinander etwas zu lernen.«
»Auch das ist schon eine Verbesserung«, warf Beth ein, »trotz aller
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