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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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seiner Muskeln, das sanfte Geräusch des Besens, reichten aus, ihn grenzenlos zufrieden zu machen. Als er sein Bewußtsein zurückholte, wäre er am liebsten schreiend davongelaufen.
    Seine Großmutter hatte braune Augen, die einen ansahen, als könnten sie dir bis auf die Knochen schauen. Maya. Das war ihr Name. Maya. Fast konnte er ihre Stimme hören, die ihm zuflüsterte: »Du bist ein Hexenmeister, mein Junge. Gebrauche deine Magie.« Aber er konnte sich an die Magie nicht erinnern.
    Sicherlich dachte seine Großmutter, er sei längst tot, wenn sie überhaupt an ihn dachte. Nein, nicht, wenn sie an ihn dachte, wenn sie überhaupt noch am Leben war. Er hatte Angst, sich zu weit in ihre Richtung zu bewegen, Angst auch, seinen Geist heimzuschicken, bevor er wieder fest in seinem Körper verwurzelt war.
    Eine Glocke ertönte, und alle marschierten zu den Baracken zurück zum Appell. Die Männer reihten sich auf und schlurften dann zum Mittagessen. Er konnte Hijohn sehen, der sich langsam bewegte, als schmerzte sein Körper. Littlejohn kam hinter Bird zu stehen, sie nahmen ihr Essen in Empfang und setzten sich an einen Tisch.
    »Warte,« flüsterte Littlejohn, als Bird beginnen wollte zu essen. Als alle Männer saßen, falteten sie die Hände, beugten die Köpfe und eine Lautsprecherstimme intonierte ein Gebet, das Bird an manchen Stellen bekannt vorkam.
    »Wir verabscheuen den Teufel und seine Werke aufs Äußerste...«
    Es war einer der Glaubensartikel der Millennialisten. Bird hatte ihn einst für eine Schulaufführung auswendig gelernt. Damals hatte er Justin Hardwick, den Fundamentalisten gespielt, der um die Jahrtausendwende gepredigt hatte. Warum nur erinnerte er sich an so etwas, wo doch so viele andere Dinge auf ihn einstürmten?
    »In Erinnerung an Jesus Christus, der zur Erde zurückkehrte, um die Sünder für ihre Sünden zu bestrafen, so verabscheuen auch wir die Erde, die Spielhölle des Teufels und das Fleisch, das da ist Satans Werkzeug. Wir verabscheuen die falschen Propheten und die falschen Götter, jene, die lügen, wenn sie Rettung versprechen und jene, die uns in Versuchung führen, den Dämonen zu huldigen, heißen sie nun Göttinnen, Heilige, Luzifer oder die sogenannte Jungfrau Maria. Denn wir wissen, daß unser Herr sich niemals herabließ, irdisches Fleisch anzunehmen, sondern er war, ist und wird für alle Zeit sein, reiner Geist. Amen.«
    Die Worte gingen ihm über die Zunge, als hätte er sie seit Jahren gesprochen – was zutraf, wie er mit leichtem Schaudern erkannte. Als Kinder hatten sie immer Scherze mit Hardwicks Namen getrieben. »Wie hart ist dein Fick?« Er konnte das Lachen noch ganz deutlich hören, obgleich er sich nicht erinnern konnte, wer da gelacht hatte. Aber wenn er sich bemühte, seine Erinnerungen scharfzustellen, kamen auch die Erinnerungs-Fetzen zu ihm zurück. Gesichter. Ein dunkles Gesicht, wie seins, braune Augen, die nur in die Ferne schauten, Hände, die Rhythmen auf die Tischkante trommelten. Marley. »Wenn ihr Jungs nicht stillsitzen könnt, bei Tische, dann könnt ihr draußen im Garten mit den Hunden fressen.« Die Stimme seiner Mutter, forsch und bestimmt an der Oberfläche, aber Bird hörte den kummervollen Unterton.
    Jemand war tot. Sein Vater. »Das ist nicht fair, Marley macht Lärm, ich nicht!« Das war seine eigene Stimme, und die schwarzen Augen seiner Mutter blickten ihn an. Ihre Stimme war jetzt scharf, aber mit einem humorvollen Unterton.
    »Jetzt machst du auch Lärm und dieser Lärm heißt jammern.«
    Ein Mädchen steckte den Kopf zur Hintertür herein. Ihr wildes Haar wand sich in zwei dunklen Zöpfen über ihren Nacken, ihre Haut war braun, golden und rosig im warmen Abendlicht. »Kann Bird zum Spielen rauskommen?«
    Madrone. Das war Madrone.
    Er wollte raus, jetzt sofort und rennen, rennen, rennen, seine nackten Füße fühlen, wie sie in den Dreck hineinstampften und Distanz schufen zwischen ihm und seiner Gefangenschaft. Wenn er daran dachte, daß er vielleicht nie mehr hier herauskam... Aber diesen Gedanken konnte er sich nicht leisten. Stattdessen konzentrierte er sich auf die kalten fettigen Nudeln auf seinem Teller, zwang sich zum Kauen und Schlucken, damit er nun im Hier und Jetzt bleiben konnte. Es gab etwas, das mußte er tun. Hijohn. Er mußte ihn warnen.
    Der Moment war günstig, als sie sich aufreihten, um die Tabletts in die Abwäsche zu geben. Hijohn war direkt vor Bird. Als er sein Tablett auf den Tresen ablegte, stolperte Bird

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