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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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und ließ seins fallen. Die Wache brüllte ihn an, aber Hijohn beugte sich runter und half, die Scherben aufheben.
    »Die wollen dich heut' Nacht umbringen«, sagte Bird leise, ohne die Lippen zu bewegen.
    »Yeah!«
    »Was können wir tun?«
    »Wir?«
    »Wir.«
    »Wenn ich's wüßte«, sagte Hijohn. »Ich wollte, ich wüßte es. Danke Bruder.«
    Ihre Augen trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde. »Ich versuche, bei dir zu sein«, flüsterte Bird.
    Hijohn bestätigte das Gesagte mit den Augen, während er still fortging.

    ✳✳✳

    Im Zellenblock gab es unter den Männern eine unangenehme Aufteilung in Territorien. Bird erkannte, daß es verschiedene Gruppen gab, die alle ihre eigenen Tische und ihre eigenen Abteilungen mit Pritschen hatten. Sie nannten sich Schwarze und Latinos und Asiaten. Diese Bezeichnungen hatten nur ganz entfernt etwas mit Hautfarbe oder Herkunft zu tun. Niemand sprach ein Wort Spanisch, und wann immer seiner Zunge ein paar unbedachte Worte entschlüpften, brachte Littlejohn ihn zur Ruhe. Einige der Schwarzen sahen weiß aus oder asiatisch und einige der Latinos waren schwarz. Dennoch identifizierten sie sich gegenseitig. Bird vermutete durch Handzeichen oder Körpersprache oder durch subtile Unterschiede in der Art, wie sie die Einheits-Uniform trugen. Und die Identifikation mit der einen oder anderen Gruppe bestimmte alles: Wo man schlief, mit wem man aß, auf wen man zählen konnte und vor wem man sich besser in acht nahm.
    Bird gehörte nirgendwo hin. Niemand konnte einen Trottel gebrauchen, der nicht wußte, wer er war. Niemand fürchtete einen Feind, der mitten im Kampf vergaß, was er tat. Littlejohn hatte Schutz bei ihm gefunden und wachte nun seinerseits über ihn, sorgte dafür, daß er nicht vergaß, zu essen, sich anzuziehen und sich zum Appell aufzustellen. Er schützte ihn vor vermeidbaren Gefahren, hielt ihn fern von den anderen. Er war wie ein großer, freundlicher, beschützender aber auch gefährlicher Hund.
    Hijohn ging hinüber zu einem Tisch, wo eine Gruppe Männer Karten spielte. Er setzte sich.
    »Teilt nur aus«, sagte er.
    Die Männer schauten nicht auf.
    »Hau ab. Häng bei deinen Leuten rum«, murmelte einer.
    »Ich bin bei meinen Leuten.«
    »Du bist nicht schwarz.«
    Hijohn stand auf. Plötzlich war es still im Raum. Alle beobachteten ihn.
    »Wir alle hier sind von der gleichen Sorte«, sagte er.
    Bird hatte den Eindruck, die Temperatur sank schlagartig um zehn Grad. Niemand atmete.
    »Ich komme von den Hügeln«, fuhr Hijohn fort. Er atmete schwer und sein weises Gesicht schien wie durch eine innere Anstrengung in einem Faltenpunkt zusammengefaßt. »Wir sind durch eine harte Schule gegangen. Sie haben uns gegeneinander ausgespielt, damit sie uns regieren konnten. Wir müssen uns zusammentun.«
    Er erinnerte Bird an einen Gnom, alles schien verkehrt. Hijohn hätte größer und heldenhafter wirken müssen.
    »Mach so weiter, und die bringen dich um, Mann«, raunte einer quer durch den Raum.
    »Wir werden alle sterben«, sagte Hijohn.
    »Einige schneller als die anderen.«
    »Wann habt ihr denn eine Chance gehabt zu leben? Seid ihr hier am Leben? Für wie lange? Bis sie euren Arsch rausschmeißen zu so 'ner Mörderarbeit und vorher werdet ihr mit Boostern vergiftet.«
    »Was willst du eigentlich, Mann?«
    Aber Hijohn hatte keine Chance zu antworten. Die Tür sprang auf und die Wachen nahmen ihn mit.

    ✳✳✳

    Bird lag auf seiner Pritsche und starrte auf die Drähte, die die Matratze über ihm hielten. Er konnte fühlen, daß Hijohn Schmerzen hatte. Bird wollte ihm helfen, aber alles, was er tun konnte war, sich in Hijohns Geist zu versetzen und als hilfloser Zeuge die Schläge zu fühlen, wie sie ihn trafen. Es war Nacht und die Männer um ihn herum schliefen. Er konnte unterdrückte Schreie und Stöhnen durch die Wand hören, oder vielleicht meinte er auch nur, sie zu hören. Hijohns Qualen lastete auf ihm wie Felsen und dazwischen kam Erinnerung auf an seine eigenen Leiden. Er fühlte sich gefangen, konnte kaum atmen, und doch verließ ihn der Gedanke nicht, daß er dem Mann helfen konnte und sei es auch nur, zu sterben. Wenn er sich nur erinnern könnte, erinnern an etwas, das er wußte.
    Er fiel an einen dunklen Ort, eine Erinnerung, die noch grenzenlos schwebte ohne Zusammenhang. Er war allein in einer dunklen Zelle, nur wußte er nicht, wie er dorthin geraten war. Er wußte nicht, ob es Tag oder Nacht war. Er fror, obgleich er mit einer dünnen

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