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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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aufzunehmen und er nahm sie auf. Und so kam es, daß er in seinem Körper die Kraft der Großen Schnitterin erkannte und den Gesang der Sterne.
    Genug, dachte Bird und schüttelte die Erinnerungen ab, um die Augen zu öffnen. Genug! Doch die Bilder überrollten ihn unaufhaltsam. Er erinnerte sich an den Schock, als die Wachen kamen. Die Kleidung wurde ihm herunter gerissen, sie stellten ihn auf die Füße, zwangen ihn, mit Beinen zu laufen, die gar nicht mehr wußten, wie. Er war in einem kahlen Raum. Grelles Licht stach ihm in die Augen, und Männer saßen ihm gegenüber und ihre Bereitschaft, ihn zu quälen, war offensichtlich.
    »Willst du jetzt reden, Kerl?«
    Aber er war nicht bereit, mit ihnen zu reden.
    »Wie heißt du?«
    Ihm kam der Gedanke, daß Bird von Lavender und Black Dragon, guter Hexenmeister aus dem Norden, hier nicht gerade die beste Adresse sein könnte. »Paco«, sagte er. Es war sein alter Spitzname, eine Abkürzung für pajero, Bird, Vogel auf Spanisch. »Paco Negro.«
    Ein erster Schlag traf sein Kinn. »Red' Englisch, Scheißer. Keine Teufelszungen hier. Wie heißt du?«
    »Uh... Charlie. Charlie Parker.«
    »Charlie, wir wüßten gern, wie du in das Kraftwerk gekommen bist. Wer hat dich reingelassen?«
    Er schwieg. Wer konnte schweigend verraten? Wer war am Leben? Wer war tot? Geister-Flügel durchschwirrten den Raum. Nein, er würde ihnen gar nichts erzählen. Claro. Und es würde noch mehr Schmerzen geben und dann das Ende.
    »Junge, wenn du mit uns arbeitest, arbeiten wir auch mit dir. Du kannst es dir leichter machen. Aber wenn du die Steinwand willst, bitteschön, damit kommen wir auch klar.«
    Er stand und schwieg.
    »Junge, gib deine Hand.« Einer von den Bewachern nahm seine linke Hand, hielt sie fast zärtlich in der seinen. Sein Gesicht war rund mit grauen Stoppeln auf den Wangen. Er hatte strahlend blaue Augen und er lächelte sehr. Gut, dachte Bird, es ist immer auch ein freundlicher Folterer dabei.
    »Was für eine schöne Hand«, sagte der Mann freundlich. Er berührte Birds Fingerspitzen. Durch die Berührung empfand Bird seine Haut schleimig und verunreinigt. »Fast ‘ne Mädchenhand. Musiker? Gitarre gespielt?«
    Kontrolle! Bird zwang sich, nicht zu antworten, weder durch einen Atemzug noch durch ein Augenzucken oder eine Geste. Er wußte, wie dieses Spiel gespielt wurde. Wenn sie ein »Ja« bei ihm lesen konnten, zu Dingen, die sie sicher wußten, würden sie sein »Ja« und sein »Nein« zu allem ablesen können, was sie wissen wollten, ob er nun antwortete oder nicht.
    »Bist'e ein Zauberer, Junge?« fragte der zweite Mann. Er hatte schwarze Haare und trug eine verspiegelte Sonnenbrille, die seine Augen verbarg. »Antworte!« bellte er.
    Bird schwieg. Vor sich sah er Madrones Gesicht, schlafend auf dem Kissen und über ihrem Bett die Stickerei, die Johanna vor langer Zeit angefertigt hatte:
    WER ALLE WESEN IN IHREM EIGENEN SELBST UND DAS EIGENE SELBST IN ALLEN WESEN SIEHT, DER VERLIERT ALLE FURCHT.
    In seinem eigenen Selbst sah er den Vollstrecker. Er erinnerte sich an ein Gewehr in seinen Händen, ein Gesicht, das ganz nahe kam, wütend, schnaufend, dann fiel es, und Blut schoß ihm aus der Nase. Wie bei seinem Vater, als er von fremder Hand starb. Der Tod schritt voran, und Hände wie diese, wie seine, reichten ihn weiter.
    Die Männer, die Bird gegenüberstanden, waren ihm nicht fremd, und deshalb würden sie ihn auch nicht besiegen können. Sie konnten ihn höchstens töten und er fragte sich, warum sie nicht weitermachten.
    Der erste Mann hielt Birds Hand mit stählernem Griff auf dem Tisch fest. Der zweite zog einen langen Metallknüppel, betrachtete ihn lange und nachdenklich und ließ ihn urplötzlich auf Birds ausgestreckte Hand niedersausen.
    Bird fühlte, wie die Gelenke knirschten und die Knochen brachen. Der Schmerz war wie ein Akkord aus schrillen Dissonanzen. Er konnte ihn Sound sein lassen und ihn nicht fühlen und so an dem Ort bleiben, wo die Furcht ihn nicht erreichte. So lange er vor der Furcht geschützt war, konnte ihn gar nichts erreichen. Zumindest suggerierte er sich das. In einem nächsten Leben würde er um seine verlorene Gitarre weinen und um die verlorene Möglichkeit, Musik zu machen.
    Sie brachen ihm beide Hände und schickten ihn zurück in seine private Unterwelt.

    ✳✳✳

    Möglich, daß dies die moderne Version der alten Hexenproben war, jene, wo du ins Wasser geworfen wurdest. Wer unterging und starb, war gewiß unschuldig. Wer

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