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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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    Maya erwachte an den meisten Tagen, um überrascht festzustellen, daß sie noch am Leben war. Dabei waren doch so viele, die sie geliebt hatte, schon lange tot. Diese Toten besuchte sie in Gedanken gern am frühen Morgen, wenn das Sonnenlicht allmählich immer strahlender durch das obere Erkerfenster schimmerte. Sie hatte es immer geliebt, von der Sonne geweckt zu werden. Vor vielen Jahren hatte sie sich Vorhänge gemacht, schöne Vorhänge. Raffrollos aus roher Seide, eingefärbt in Türkis und besetzt mit französischer Spitze. Jetzt waren diese Vorhänge uralt. Sie lösten sich schon fast in ihre Bestandteile auf. Doch Maya ließ sie wie sie waren. Wenn die Vorhänge kaputt gingen, na und? Dann konnte eben jeder bei ihr ins Fenster sehen. Sie fürchtete sich nicht mehr vor dem Enthülltsein.
    Von ihrem Bett aus konnte Maya durch das Fenster sehen, und im Winter, wenn die Bäume kahl waren, konnte sie die Flanken des Ritualhügels sehen. Das war die eine schöne Seite ihres Zimmers. Und wenn ihre Zimmertür geöffnet war, konnte sie den langen Korridor entlang durch die Glastür der Küche hinaus aus dem Hinterfenster auf die Hänge des Twin Peak blicken.
    Die Jüngeren nannten den Twin Peak halb spöttisch, halb bewundernd auch die Brüste: Brüste der Jungfrau, Brüste der Göttin, je nach Überzeugung. Für Maya war die Göttin immer eine Jungfrau gewesen, vollständig in sich ruhend, ungezähmt und unberührt. Sie war auch einmal eine Jungfrau gewesen, doch dann traf sie Rio.
    »Warst du nicht, du warst keine Jungfrau als du mich trafst. Denk nach, du warst ziemlich erfahren.« Plötzlich sah sie Rio wieder am Ende ihres Bettes sitzen, blond, bärtig und sexy in seinen ausgeblichenen Jeans, wie er mit neunzehn war.
    »Du versperrst den Ausblick, alter Gockel«, sagte sie zu ihm, »rutsch rüber. Wo bist du die letzten paar Wochen gewesen?«
    »An verschiedenen Orten. Aber wechsle nicht das Thema. Wir sprachen gerade über deine unbeweinte Jungfräulichkeit, von der du dich, wie ich mich erinnere, selbst befreit hast. Da warst du gerade mal fünfzehn.«
    »Ich spreche nicht über mein Jungfernhäutchen. Ich spreche über meinen Zustand. Ich erlaubte dir, mit mir zu schlafen.«
    »War denn das so schlimm?«
    »Nun, es gab verschiedene Momente. Gute und schlechte.«
    »Die Besten und die Schlechtesten,« sagte Rio, »du weißt, daß ich niemals halbe Sachen mache.«
    »Früher hätte ich gesagt, daß es mich Jahre meines Lebens kostete. Aber ich glaube, ich kann mich nicht beschweren.«
    »Pech gehabt«, sagte Johanna, die nun ebenfalls neben Rio auf Mayas Bett saß. Ihre honigfarbene Haut schimmerte im warmen Licht der Morgensonne, ihr Hemd aus gewaschener Seide glitzerte in sanften grünen Tönen. Aber es zeichnete sich kein Gewicht auf Matratze oder Bettzeug ab.
    »Zufall. Nicht irgendeine Tugend, die der Rest von uns nicht besitzt.«
    »Worüber redest du?«
    »Über dich. Du bist immer noch am Leben und der Rest von uns ist tot.«
    »Eifersüchtig?«
    Johanna schnaubte, einer ihrer charakteristischen Laute zu Lebzeiten. »Nicht auf dich, liebe Freundin. Es gibt einige Freuden, die die Unannehmlichkeiten und die kleinen Demütigungen der Körperlichkeiten ausgleichen. Aber ich fürchte, darüber bist du schon lange hinweg.«
    »Sei dir da nicht so sicher. Und paß auf. Denk nicht zu häufig über die Freuden des Fleisches nach. Es heißt, daß man dann wiedergeboren wird. Reinkarnation nennt man das.«
    »Wiedergeboren werden? Dazu hätte ich nicht übel Lust, bei der ersten besten Gelegenheit, wenn nicht in meiner, dann in deiner Familie.«
    »Meine Familie scheint auszusterben.«
    »Gib Bird noch nicht auf«, sagte Rio.
    »Warum nicht? Weißt du etwas, was ich noch nicht weiß?«
    »Toten ist es verboten zu erzählen, was sie wissen«, belehrte Johanna sie.
    »Oh, fick dich«, sagte Maya, aber ihr Ton war liebevoll.
    »Das, fürchte ich, ist nicht mehr möglich zwischen uns.« Johanna grinste, ihren Kopf nach unten geneigt, um dann mit hochgezogenen Augenbrauen emporzuschauen, eine verführerische Geste, an die sich Maya gut erinnerte.
    »Aber warte nur, eines Tages werden wir beide wieder in jungen gut entwickelten Körpern stecken, und es wird so sein wie beim ersten Mal, als wir von all den Drogen high waren und zu unserer eigenen Überraschung auf dem Fußboden des Umkleideraums landeten. Nicht zu vergessen die beiden Sportlehrer, die uns dort fanden.«
    »Selbst tot bist du noch

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